Anleitung zum befristeten Glücklichsein

Wie lange dürfen Forscher befristet arbeiten? Ab wann sollten sie besser Taxi fahren? Nach dem neuen Rahmengesetz für die Hochschulen und der 12-Jahres-Regel sind diese Fragen brandaktuell. Die taz versucht eine Aufklärung

BERLIN taz ■ Die Forscherszene ist nervös. Was als Jahrhundertgesetz angekündigt war, die Reform des Wissenschaftler-Dienstrechts nämlich, macht Forscher auf Zeitstellen ganz kirre. Viele Post-Docs und Projektforscher wissen nicht, ob sie von Unis und außeruniversitären Forschungseinrichtungen künftig überhaupt noch zeitlich begrenzte Arbeitsverträge erhalten werden.

Ursache ist das im Februar in Kraft getretene neue Hochschulrahmengesetz (HRG). Die darin enthaltene 12-Jahres-Regel besagt: Wissenschaftler können maximal 12 Jahre befristet beschäftigt werden. Was das genau heißt, ist Ergebnis komplizierter Abwägungen zwischen dem HRG und dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Für viele Forscher aber ist es schlicht der Horror: Sollen sie jetzt, nach tiefgründigen Studienjahren, Taxi fahren? Oder lieber kämpfen und das Bildungsministerium besetzen? Oder doch nochmal versuchen, ihren Personalchef aufzuklären?

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagt: Das neue Gesetz macht alles leichter – man kann auch länger als 12 Jahre auf Friststellen forschen. Viele Unipräsidenten erwidern barsch: Das Risiko, Forscher länger als 12 Jahre befristet anzustellen, ist zu hoch – die würden sich sonst auf Dauerstellen einklagen. Was stimmt?

Die folgenden typischen Fälle zeigen, ob und wie die 12-Jahres-Regel anzuwenden ist.

Fall 1: Ein Student will nebenher an seinem Institut jobben.

Die befristete Beschäftigung als studentische Hilfskraft lässt die Karriereuhr des Studenten noch nicht ticken: Die 12-Jahres-Frist des HRG gilt nur für Wissenschaftsjobs nach dem Studium.

Fall 2: Eine Absolventin möchte promovieren – auf einer befristeten Doktorandenstelle.

Die Uhr tickt jetzt! Sie untersteht der 12-Jahres-Regel im HRG: Sechs Jahre lang kann sie, als Fristkraft, an ihrer Diss schreiben. Ist sie nach dieser Zeit noch nicht fertig, so ist eine weitere befristete Anstellung nicht möglich. Im Gegensatz zum alten Gesetz muss übrigens kein Sachgrund mehr angegeben werden, um die Stelle zu befristen. Das soll den bürokratischen Aufwand schmälern.

Fall 3: Ein frisch Promovierter will weiter wissenschaftliche Forschung treiben.

Er untersteht ebenfalls dem HRG und kann für sechs (Medizin: neun) Jahre auf Fristverträgen forschen und sich weiter qualifizieren. Auch hier ist kein Sachgrund für die Befristung erforderlich. Es spielt auch keine Rolle, ob der Betreffende auf einer Habilitationsstelle nach altem Muster sitzt oder eine Juniorprofessur inne hat.

Wer flott ist, kann sich die „gesparten Jahre“ gutschreiben lassen. Hat der Forscher weniger als sechs Jahre für seine Promotion gebraucht, so kann er diese jetzt für seine Arbeit auf befristeten Stellen verwenden.

Fall 4: ForscherIn bekam vor dem Inkrafttreten des 5. HRG im Februar 2002 einen befristeten Arbeitsvertrag, um Dissertation oder Habil zu schreiben. Die neuen Fristen des HRG sind aber nicht einhaltbar.

Für sie wurde extra das 6. HRG mit einer Übergangsregel versehen, die in einigen Wochen in Kraft treten soll. Danach gilt für alle, die ihre Qualifikationsarbeit noch vor dem 16. Februar 2002 begonnen haben, eine Übergangsfrist bis zum 28. Februar 2005. Bis zu diesem Zeitpunkt können sie weiterhin befristet beschäftigt werden. Diese Übergangsfrist gilt auch für wissenschaftliche Mitarbeiter, mit denen vor dem Inkrafttreten des 5. HRG befristete Verträge abgeschlossen wurden. Für studentische Hilfskräfte gilt eine analoge Frist bis zum 28. Februar 2003.

Fall 5: Ein Wissenschaftler hat seine Habilitation geschrieben oder seine sechs Jahre Juniorprofessur erfolgreich abgeschlossen. Nun bewirbt er sich auf unbefristete Professorenstellen – findet aber wegen des Mangels an freien Lehrstühlen keine.

Für seine Anstellung bildet nicht mehr das HRG die rechtliche Grundlage. Denn die nach diesem Gesetz maximal möglichen zwölf Jahre auf befristeten Stellen sind bereits ausgeschöpft. Stattdessen untersteht er nun – wie Angestellte anderer Branchen – dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Das heißt: Der Arbeitgeber muss nun einen stichhaltigen Sachgrund angeben, um ihn weiterhin befristet beschäftigen zu können. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:

Ein Sachgrund für die Befristung einer Stelle auf maximal zwei Jahre sind laufende Bewerbungen. Dabei müssen Indizien vorhanden sein, dass der Bewerber tatsächlich eine reale Chance auf Erfolg hat. Da dies besonders zu Beginn von langwierigen Berufungsverfahren schwierig zu beurteilen ist, sind die Arbeitgeber mit dieser Begründung zurückhaltend.

Ein weiterer Sachgrund für befristete Beschäftigung ist der zeitliche Rahmen eines durch Drittmittel finanzierten Forschungsprojektes. Dabei müssen zum Zeitpunkt des Vertragabschlusses konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass die Drittmittel nach Ablauf des Projektes auch tatsächlich zu Ende gehen, das Projekt also nicht einfach verlängert wird. Andererseits muss das Forschungsprojekt auch inhaltlich abgeschlossen sein, es darf kein Folgeprojekt mit der gleichen Thematik nachgelegt werden. Mit diesem Sachgrund ist der Abschluss eines befristeten Vertrags von maximal fünf Jahren Laufzeit möglich.

Fall 6: Eine bereits länger wissenschaftlich arbeitende Forscherin hat promoviert, aber keine Habilitation geschrieben. Insgesamt war sie bereits mehr als zwölf Jahre auf befristeten Stellen tätig. Sie strebt keine Professur an, will aber weiterhin an einer Uni forschen.

Sie kann nicht nach dem HRG befristet beschäftigt werden, sondern nur nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Als Sachgrund dafür kommt bei ihr wie beim Fall des Habilitierten die zeitliche und sachliche Beschränkung eines Drittmittelprojektes in Frage.

Will sie jedoch einem ersten befristeten Vertrag einen zweiten – so genannten Kettenvertrag – folgen lassen, so erhöhen sich die Anforderungen an den Sachgrund der Befristung. Bei einer Klage müsste ein Gericht beurteilen, ob sich das Folgeprojekt tatsächlich inhaltlich von seinem Vorläufer unterscheidet. Hier fehlt bislang die Rechtsprechung noch. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz ist erst seit 1. Januar 2001 in Kraft.

Als weitere Möglichkeit sieht das Gesetz vor, Mitarbeiter auf drittmittelfinanzierten Stellen einfach unbefristet anzustellen. Geht das Geld nach Abschluss des Projektes aus, so kann dies Grund für eine betriebsbedingte Kündigung des betreffenden Mitarbeiters sein. Dieser Lösung widersprechen aber Abkommen über Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen einzelner Hochschulen und soziale Überlegungen. PHILIPP MÄDER

Weitere Auskünfte: Hotline des Bundesbildungsministeriums 08 00-2 62 34 74. Oder über Ver.di (walter.lochmann@verdi.de) oder GEW www.gew-berlin.de/wissenschaft.