Berlin brütet über Bagdad

Rot-Grün bekräftigt Absage an US-Angriff auf den Irak. SPD-Fraktionsvize Erler schließt in der taz auch Beteiligung der Bundeswehrsoldaten in Kuwait aus. Opposition gegen deutschen Sonderweg

BERLIN taz ■ Die Grünen haben gestern die klare Absage der SPD an einen Krieg gegen den Irak begrüßt. Der außenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Helmut Lippelt, bezeichnete die neue Linie von Bundeskanzler Gerhard Schröder gegenüber der taz als eine „enorme Wende“. SPD-Fraktionsvize Gernot Erler ging im taz-Interview noch über die Festlegungen des Präsidiums seiner Partei hinaus.

Auch die deutschen Soldaten und Spürpanzer, die derzeit in Kuwait stationiert sind, dürften die USA nicht bei einem Angriff auf den Irak unterstützen. „Wenn sie da eingesetzt würden, müsste es einen neuen Bundestagsbeschluss geben“, sagte Erler, „für einen derartigen Beschluss sehe ich keine Mehrheit.“

Die Beteiligung an einem solchen Krieg hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bereits am Montag ausgeschlossen. Selbst ein UN-Mandat bedeute nicht automatisch, dass Deutschland an einer Irak-Intervention mitwirken werde. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hatte diese Haltung unter das Wahlkampfmotto „Deutscher Weg“ gestellt. Der grüne Außenpolitiker Lippelt kritisierte diesen Slogan allerdings: „Den ‚deutschen Weg‘ statt eines europäischen Weges finde ich zum Kotzen.“ Lippelt äußerte die Hoffnung, dass nun auch der britische Premierminister Tony Blair noch weiter unter Druck gerate, der sich bisher gegenüber den USA uneingeschränkt solidarisch gezeigt hat.

Auch der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) warnte vor einem „deutschen Alleingang“ und forderte eine Regierungserklärung des Kanzlers. Bisher habe Schröder den Eindruck erweckt, es handele sich bei militärischen Aktionen gegen Irak nicht um eine aktuelle Frage. „Wenn sich das geändert haben sollte, gehören die Karten auf den Tisch.“

Die Union konnte sich bisher noch auf keine Linie einigen. CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger sagte gestern, dass für einen Militärschlag ein UN-Mandat zwar „wünschenswert, aber wirklich nicht erforderlich“ sei. Damit widersprach er indirekt Wolfgang Schäuble, der „ein gemeinsames Vorgehen mit den Vereinten Nationen“ gefordert hatte. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber wiederum hat sich bisher öffentlich nicht festgelegt – angeblich auf Anraten seiner Strategen.

Umfragen in Deutschland zeigen, dass auch hier die meisten Wähler eine Irak-Intervention ablehnen. Das Emnid-Institut ermittelte, dass derzeit 73 Prozent gegen eine Beteiligung deutscher Soldaten sind, in einer Spiegel-Umfrage waren sogar 91 Prozent dagegen. LKW, UH

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