Die Vorsicht in der Verschrobenheit

Bluesexplosionen und zart verhuschte Sehnsuchtslieder: Die finnische Band 22 Pistepirko entzückte im Loft

So freundliche Musik. Schon ein wenig Karo-Hemd, doch deswegen leisten sich die Musiker von 22 Pistepirkko noch lange keine plumpen Zutraulichkeiten. Sie verzichten auf kumpelhaftes Schulterklopfen. Nur weil die drei Finnen halt auch irgendwie den Blues spielen, muss an diesem Tresen noch lange nicht gegrölt werden.

Voll Behutsamkeit spielten sie am Dienstagabend im Loft. Vorsichtig und überlegt. Wie Asko Keränen an den Knöpfchen seiner Synthesizer drehte, sein Bruder PK die Slidegitarre spielte und Schlagzeuger Espe Havarinen mit der Rumbakugel rasselte. Vorsichtig und überlegt wurde da auch ein derbes Boogie-Motiv in feines Zirpen geschaufelt, was einen Moment vorher noch wie der gelungene Auftakt zu einer elektronischen Etüde geklungen hat.

Man mag die Musik von 22 Pistepirkko verschroben finden. Aber ihre Macher sind nur vielseitig interessiert. Wenn sie ein wenig Entspannung von ihrer Band suchen, knöpfen sie sich unter dem Etikett „The Others“ noch mal die alten Knüller von Del Shannon oder Bo Diddley vor. Und machen sich auch den Spaß, selbst bei diesem Seitenprojekt die eigenen Sachen zu verkloppen. So viel an Geschichtsbewusstsein muss schon sein.

Kurz ließen sie im Loft auch die Muskeln spielen. Zeigten, dass sie den Blues durchaus wie ein Jon Spencer und seine Blues Explosion prügeln könnten, wenn da wirklich noch ein Bedarf für bestände. Aber den Spencer gibt es ja schon, die Rolling Stones sowieso. So folgen 22 Pistepirkko lieber ihrer eigenen, ziemlich unverwechselbaren Spur: Vom alten Kartoffelsack Blues will man nicht lassen, und andererseits wissen sie eben nicht nur theoretisch, wie ein guter Housetrack funktioniert. Verblüffenderweise haben sie gerade über diesen Weg dem Blues was von einer Besinnlichkeit zurückgegeben, die einfach mal ohne Teestubengemütlichkeit gelesen werden muss und scharf gegen die Besinnungslosigkeit gesetzt ist.

Am Schluss des Konzertes haben sie dann plötzlich doch noch die Sau aus dem Stall gelassen und gaben mit Sixtiespartyknüllern die Stimmungskapelle, die sie eigentlich gar nicht sind. Auch nett. Wäre aber überhaupt nicht nötig gewesen, weil dann die Stimmung im Saal gleich in so ein artiges Grölen kippte, wie man das von den Chicagobluesabenden kennt, wenn mit den Bierkrügen und den klobigen Holzschuhen im Takt gestampft wird.

Wie ein Rettungsring aber segelte dann doch wieder eines ihrer zart verhuschten Sehnsuchtslieder hinterher, die PK Keränen mit seiner brüchigen, näselnden Stimme so schön singt. In der hohen Stimmlage hallt noch Kindheit nach, so wie bei Robert Wyatt. Da hört man noch ein naives Staunen in der Abgeklärtheit. Und diese wird einem zusammen mit den melancholisch trägen Melodien der Band mitten ins Herz gesungen. Wo die Lieder von 22 Pistepirkko auch hingehören. Das ist der Ort, den man nur für seine besseren Freunde reserviert.

THOMAS MAUCH