Mobilfunk ärgert Finnland

Ausstieg aus deutschem Handy-Markt: Regierung wegen größtem Verlust der finnischen Geschichte kritisiert. Aufschub der Multimedia-Handys in Schweden?

HELSINKI taz ■ „I have a dream“, lautete der Reklametrailer, mit dem der Mobilfunkbetreiber Quam den deutschen Handymarkt erobern wollte. Doch kürzlich gab die finnisch-spanische Gesellschaft bekannt, dass sie kein deutsches Netz für die kommenden Multimedia-(UMTS-) Handys aufbauen will. Dabei hatte sie die Lizenz für mehr als acht Milliarden Euro von der Bundesregierung ersteigert. Gestern hieß es sogar, die Firma wolle über 800 ihrer 900 deutschen Beschäftigten entlassen – de facto ein Totalrückzug.

Der Verzicht der Gesellschaft auf die teure deutsche UMTS-Lizenz wird zu einem wahren Alptraum für die finnische Regierung. Sie wird nämlich in einer faktengespickten Internetpublikation von Verfassern, die offenbar über bestes Insiderwissen verfügen, beschuldigt, direkt für das schlechteste Geschäft der finnischen Wirtschaftsgeschichte verantwortlich zu sein.

Sonera, der finnische Quam-Partner der spanischen Telefónica Móviles, war zum Zeitpunkt der Ersteigerung mehrheitlich in staatlichem Besitz. Die Regierung von Ministerpräsident Paavo Lipponen selbst habe grünes Licht für die gewaltigen Investitionen in Deutschland gegeben, lautet der Vorwurf. Quam, das unter dem Namen Group 3G die Lizenz mit ersteigerte, bekam trotz millionenschwerer Werbekampagnen samt dem Skispringer Sven Hannawald nie einen Fuß in den deutschen Markt. Bilanz nach sieben Monaten: Gerade 200.000 KundInnen und ein Anti-Oscar der Reklamebranche für den größten Werbeflopp des Jahres 2001.

Sonera schrieb mittlerweile die mehr als vier Milliarden Euro seines Anteils an den deutschen UMTS-Lizenzgeldern als Verlust ab. Die Lizenzen mussten gleich nach der Versteigerung bezahlt werden und verfallen ohne irgendwelche Ansprüche. Die Verlustabschreibung war höher als Soneras Börsenwert und doppelt so hoch wie dessen Umsatz im letzten Jahr.

Die Tatsache, dass Milliarden für nichts und wieder nichts direkt von der finnischen in die deutsche Staatskasse geschleust wurden, hat in der finnischen Öffentlichkeit großen Unmut erregt. Es sei recht großzügig, dem verschuldeten Deutschland so unter die Arme zu greifen, kommentierte säuerlich die auflagenstärkste Tageszeitung Helsingin Sanomat: Aber ob es denn, wenn man so freigebig mit finnischen Steuergeldern umgehe, nicht bedürftigere Länder gebe? Vier Milliarden Euro ist ziemlich genau die Summe, die im finnischen Staatshaushalt für Entwicklungshilfe bereitsteht.

Mehrere Privatpersonen haben mittlerweile Strafanzeigen gegen die Soneraleitung und verantwortliche Regierungsmitglieder gestellt und die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet, welche Rolle die Regierung spielte. Der damals zuständige Kommunikationsminister Olli-Pekka Heinonen behauptet, die Regierung habe sich nicht in Sonera-Beschlüsse eingemischt. Was allerdings bei den in Frage stehenden Summen ebenfalls ein Versäumnis gewesen sein könnte. „Der Beschluss, die deutsche Lizenz zu kaufen, kann nicht ohne den Segen der Regierung getroffen worden sein“, vermutet Anneli Jäätteenmäki, Vorsitzende der oppositionellen Zentrumspartei. Möglicherweise habe die Regierung nichts Ungesetzliches getan, aber sich „unfassbarer Dummheit“ schuldig gemacht.

Auch in Schweden läuft der Aufbau des neuen Handy-Netzes nicht reibungslos: Der Mobilfunkanbieter Orange hat diese Woche um einen Aufschub beim Aufbau der UMTS-Masten gebeten – gleich um satte drei Jahre. Die Tochterfirma der hoch verschuldeten France Télécom will auch die dünn besiedelten Landesteile nicht mehr versorgen. Oranges Wettbewerber warten nun interessiert auf die Antwort der schwedischen Regierung, weil sie teilweise auch nicht mehr an die früheren optimistischen Umsatzaussichten mit der neuen Handy-Generation glauben. REINHARD WOLFF