Hinterm Truck mit Struck

Volldampf-Wahlkampf in Bremen-Nord: Fast alle Bremer Sozi-Größen, das Trio „Sax und Schmalz“ plus ein niegelnagelneuer Verteidigungsminister treffen sich auf dem Sedanplatz

Ein Ordner stützt sich gelangweilt auf seinen Schirm, locker-flockig jazzt das Trio „Sax und Schmalz“ vor sich hin. Da holt sich Henning Scherf erst mal eine „Pommes ohne“ am Büdchen. Vegesack, Sedanplatz am Mittwochabend: Die SPD-Nord startet in die ganz ganz heiße Wahlkampfphase. Immerhin ist Peter Struck da. „Das ist der neue Verteidigungsminister“, sagt ein älterer Mann, der Struck „gut“ findet, aber „enttäuscht ist, dass so viele Minister gegangen sind.“

Um 19 Uhr haben sich immerhin um die 400 Struck-Fans zwischen SPD-Truck, „Lisas Schnäppchen Welt“, dem geschlossenen Kaufhaus Kramer und dem Bürgerzentrum versammelt. Parteileute drapieren zwei „Dranbleiben, Gerd“-Plakate, der Moderator ist erfreut: „Ich begrüße Sie herzlich mit allem, was die SPD zu bieten hat.“ Nicht nur Struck und Scherf, sondern auch Bildungssenator Willi Lemke, SPD-Vorsitzender Detlev Albers und Fraktionschef Jens Böhrnsen sind da, um die Leute im sorgenbeladenen Norden an die Wahlurnen zu peitschen.

„Ich hoffe, dass Struck mehr Wahlbeteiligung bringt“, wünscht Uwe Beckmeyer. Das ist der Mann, um den es heute eigentlich geht. Beckmeyer ist der SPD-Direktkandidat für Bremerhaven und Bremen-Nord. Quietschvergnügt hofft der 53-Jährige auf „60 Prozent“ und macht Gimme five mit dem Rapper, der gleich den neuen SPD-Song singen wird. Textauszug: „Ich kann es sehen / Die SPD hat seit 1863 ein rotes Emblem“.

Als dann auch Bildungssenator Willi Lemke die Hände in die Höhe streckt, um im Takt mitzuwedeln, kommt Peter Struck, der Nachfolger von GröVaz Rudi. Der größte Verteidigungsminister aller Zeiten war leider gestolpert, weil Flugzeuge zwischen Berlin, Frankfurt, Mallorca und in Rudis Bauch flogen – und weil er für über 50.000 Mark Anzüge und Socken gekauft hatte. Von solchem Format ist der Jurist aus Uelzen nicht. Stattdessen bietet Struck allen an, „mich entweder zu duzen oder Herr Struck zu sagen. Bitte nicht Minister.“

Präzise wie ein Nähmaschinen-Motor spult Struck sein Programm ab: Lob für Scharping („Wenn wir diese Entscheidung nicht getroffen hätten, hätte uns die Bild-Zeitung noch Wochen durch die Gegend gejagt“), Nein zur deutschen Beteiligung am Irak-Einsatz („kein erfundenes Thema der SPD“), Stoiber-Bashing, Arbeitsmarkt, Gesundheitsreform und und und.

Während dessen tut der urlaubsbraune Scherf das, was er am besten kann: Wahrscheinlich haben am Ende des Abends alle Besucher eine Bürgermeister-Hand geschüttelt. Beckmeyer, der als Nachfolger von Ilse Janz im neu gestalteten Nord-Wahlkreis in den Bundestag kommen will, sagt, wo er eigentlich hinwill: „In den Verkehrsausschuss“. Da bleibt Struck nicht viel mehr, als die „Küstengang“ aus Bremen hoch zu loben. „Die Ilse“ (Janz), „der Uwe“ (Beckmeyer) und „der Volker“ (Kröning), die setzten „sich massiv für die eigenen Interessen ein“ – die der Region natürlich. Und: „Ich bin überzeugt, dass Uwe ein guter Nachfolger für Ilse wird“. „Sax und Schmalz“ setzt ein, hinterm Truck sagt Struck, „darüber spekuliere ich nicht“, als Journalisten fragen, was er tun will, wenn alles perdu geht. Ja, und am Schluss wird geklatscht. Nur eins bekommen Besucher nicht mehr am SPD-Stand: Bratwurst. Denn die war „nur für den Verteidigungsminister reserviert.“

Kai Schöneberg