Der dem Kanzler die Wende verpatzt

Als erster SPD-Politiker sagt Hans-Ulrich Klose laut, warum Schröder plötzlich den Irak-Krieg ablehnt: Es ist Wahlkampf

Immer wenn Rudolf Scharping als Verteidigungsminister ins Straucheln geriet, wurde sofort ein Name als möglicher Nachfolger genannt: Hans-Ulrich Klose. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses galt bei vielen Kollegen im Bundestag und bei Journalisten als geeignet, weil er eine Voraussetzung erfüllt, die bei der Besetzung von Ministerposten als gewisser Vorteil angesehen werden könnte: Fachwissen.

Jetzt wird deutlich, warum Klose trotzdem nie Minister wurde – und warum Gerhard Schröder lieber den verteidigungspolitischen Laien Peter Struck vorzog, als er Scharping endlich rausgeschmissen hatte. Klose und der Kanzler passen nicht zusammen. Der 65-Jährige hat sich auch nach über dreißig Jahren in der Politik Eigenschaften bewahrt, die Schröder bei seinen Untergebenen wenig schätzt: geistige Unabhängigkeit und mangelnde Unterwürfigkeit vor dem großen Meister.

Klose spricht aus, was er denkt – ohne Rücksicht auf Verluste für die eigene Partei. Die 180-Grad-Wende des Kanzlers weg von der „uneingeschränkten Solidarität“ mit den USA macht der Reserveoffizier der Bundeswehr nicht mit. Kaum hatte sich Schröder als neuer Friedenskanzler präsentiert und einen Krieg gegen den Irak mit großen Worten abgelehnt, da fuhr Klose selbstbewusst dazwischen. Der Zugang für die UN-Waffeninspektoren im Irak lasse sich nicht durch freundliche Bitten erreichen, warnte Klose. „Denn die beeindrucken Saddam Hussein wenig.“ Nötig sei vielmehr der Aufbau einer „Drohkulisse“ inklusive militärischer Optionen.

Als einziger SPD-Politiker von Rang stimmte Klose auch dem CDU-Schattenminister Wolfgang Schäuble zu: Eine deutsche Beteiligung sei möglich, falls es eine neue Lage und ein neues Mandat der UNO geben sollte. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dass sich die Bundesregierung nicht verweigern würde, wenn alle anderen Europäer und der Sicherheitsrat der UNO für einen Krieg votieren sollten, ist auch der SPD-Kampa wohl bewusst. Nur aussprechen will es niemand. Nicht jetzt, da sich die Angst vor einem Krieg so gut verkauft. Also will auch keiner zugeben, dass die deutschen Panzer in Kuwait den USA natürlich helfen würden, wenn es ernst wird. Diese Heuchelei ärgert Klose, der schon 1990 den Golfkrieg unterstützte und 1993 für eine deutsche Beteiligung an UN-Missionen eintrat, als er damit in seiner Partei noch so allein stand wie jetzt bei seinem Solo gegen Saddam. Also legte er gestern noch mal nach. Das prinzipielle Nein der SPD-Führung zu einem Militärschlag sei „dem Wahlkampf geschuldet“, verriet Klose der Hannoverschen Allgemeinen.

Natürlich ist gekränkte Eitelkeit dabei, wenn Klose ausgerechnet in des Kanzlers Heimatblatt die Vorwürfe der Union bestätigt, Schröder mache einen Krieg zum Thema, der noch gar nicht ansteht, um von eigenen Schwächen abzulenken. Von seiner Partei fühlt sich Klose schon lange verkannt – spätestens seit er 1994 als Fraktionsvorsitzender abtreten musste. Ein möglicher Krieg gegen den Irak sei „kein Problem, das im nächsten Vierteljahr zur Entscheidung drängt“, sagte Klose gestern, „insofern ist die Diskussion auch virtuell“.

Genauso virtuell wie die Diskussion um einen Verteidigungsminister Klose? Nicht unbedingt. Sollte es nach der Wahl zu einer großen Koalition kommen, wird sein Name wieder fallen. LUKAS WALLRAFF