Angst vor der Abrechnung

Dem Beginenhof in der Neustadt droht mal wieder Ärger: Weil die Nebenkosten explodieren, dürften acht Mütter samt Kinder zum Auszug gezwungen sein. Den Kindergarten gibt es auch noch nicht

Perfide: Wie auch immer die Sache ausgeht, es wird die Beginen treffenWenn der Streit eskaliert, „kann man sich vorstellen, was hier los ist“

Nein, sie lassen sich die Laune nicht verderben. Menschlich sei’s wunderbar im Beginenhof, sagen die Bewohnerinnen des Frauenwohnprojekts in der Neustadt. Finanziell gibt es aber einen Haufen Probleme – vor allem für acht alleinstehende Mütter mit Kindern, die von Sozialhilfe leben: Sie müssen möglicherweise ausziehen. Die Mieten im Beginenhof könnten so teuer werden, dass das Sozialamt die Kosten nicht mehr übernimmt. Damit wäre das Beginenhof-Projekt, zumindest was das Miteinander sozialer Schichten beträfe, am Ende.

Der Grund sind die Nebenkosten, die zu explodieren drohen. „Sehr, sehr günstig kalkuliert“ scheint Gewoba-Mitarbeiter Thomas Grabley der Ansatz der Nebenkosten, den die Bauträgerin, die inzwischen aufgelöste Beginenhof-Genossenschaft festgelegt hatte. Die Gewoba verwaltet das Pleiteobjekt seit vergangenem November. Die Abrechnung für 2001 aber liegt noch nicht vor – sie soll in den nächsten Wochen fertig sein.

Deshalb fürchten die Beginen, dass sowohl die Nachzahlungen als auch die künftigen Abschläge saftig werden. Während 32 Frauen, die in einer B-Schein-Wohnung für besonders kleine Einkommen, sich nun überlegen dürfen, inwieweit sie Erhöhungen der Nebenkosten verkraften können, haben die acht Sozialhilfeempfängerinnen offensichtlich keinen Spielraum: Für das Expo- und Vorzeigeprojekt Beginenhof hatte das Amt ohnehin schon einen Aufschlag auf die sonst üblichen Wohngeld-Obergrenzen gewährt – und allen Bezieherinnen mitgeteilt, erhöhte Umlagen selbst tragen zu müssen. Einige Mieterinnen haben die steigenden Nebenkosten schon am eigenen Konto erfahren müssen. Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung stiegen die Kosten schon um 30 Euro pro Monat – kein Pappenstiel.

Dass die Grundmiete der Sozialwohnungen im Beginenhof so teuer wie nirgendwo sonst in Bremen ist, liegt an der edlen Ausstattung. Nur, dass davon nicht mehr viel übrig ist: Die Gemeinschaftswohnung im Beginenhof, einst Treffpunkt der Bewohnerinnen, ist inzwischen vermietet. Der Hof ist zwar grün, aber den versprochenen Kindergarten wird es nicht geben. Der Träger, das Deutsche Rote Kreuz, hat das Projekt aufgegeben. Schuld seien Verzögerungen durch die Insolvenz, sagt DRK-Sprecher Werner Georgi. Man habe genügend Anmeldungen von Drei- bis Sechsjährigen gehabt, um starten zu können, mehr noch: Sogar für eine Unter-Dreijährigen-Gruppe habe es ausreichend Interesse gegeben. Durch die stetigen Verzögerungen seien die Eltern jedoch verunsichert worden, so Georgi: „Die Kinder sind uns weggelaufen.“ Schließlich gab es nur noch neun Anmeldungen – zu wenig, als dass das Jugendressort sich hier engagiert hätte. Für die Unter-Dreijährigen gab es keine Mittel – „das Problem haben wir aber überall in der Stadt“, so Heidemarie Rose vom Jugendressort. Dass überdies alle Kinder in anderen Kindergärten untergekommen sind, sieht sie als Indiz dafür, dass dieVersorgung auch ohne DRK-Angebot ausreichend ist. Die Stadt ist Mieterin der Beginenhof-Räume und hätte ans DRK untervermietet. Was mit den 400 Quadratmetern werden soll, entscheidet sich laut Rose in den nächsten Wochen.

Neben dem Mangel an Service-Angeboten, die die hohen Mieten rechtfertigen sollten, klagen die Bewohnerinnen über Bauängel, vor allem über Feuchtigkeit. Und darüber, dass die Firmen, die oft auf ihren Rechnungen sitzen blieben, jetzt für Reparaturen nicht mehr aufkommen wollen.

Oliver Liersch, Mitarbeiter beim Insolvenzverwalter Detlef Stürmann, betont: „Eine Sanierung kann erst stattfinden, wenn aufgelistet ist, wer was verursacht hat.“ Das geschehe gerade. Ansonsten kann er nur sagen: „Wir möchten niemanden heraushaben.“

Ende des Monats steht ein Gespräch zwischen Beginen, Insolvenzverwalter und Sozialbehörde an, wie mit Nebenkosten und Nachzahlungen zu verfahren sei. Davon wird das Schicksal der Mütter abhängen, die von Sozialhilfe leben. Die anderen Frauen, die in den 32 B-Schein-Wohnungen leben, geben sich kampfbereit und erwägen rechtliche Schritte gegen weitere Mietsteigerungen. Perfide: Wie auch immer die Sache ausgeht, es wird die Beginen treffen. Denn für nicht gezahlte Umlagen haften zu einem Teil die Frauen, die hier eine Wohnung gekauft haben. Dagmar Sommerfeld ist optimistisch. Die Stimmung sei gut, sagt die Begine, die in einer B-Schein-Wohnung lebt. Sollte der Streit um die Nebenkosten eskalieren, dürfte sich das ändern. Sommerfeld: „Dann kann man sich vorstellen, was hier auf emotionaler und sozialer Ebene los ist.“ Susanne Gieffers