„Genau betrachtet, sind sie sehr schön“

Barbara Jäckel vom Berliner Pflanzenschutzamt zur Nacktschneckenplage, zur Schönheit der Spanischen Wegschnecke, wie man sie am besten tötet, wie sie schmecken – und warum man sie trotz aller Mühe nicht wird ausrotten können

taz: Frau Jäckel, wie tötet man am besten die Spanische Wegschnecke?

Barbara Jäckel: Ich töte die im Augenblick gar nicht ab. Es ist zur Zeit zwecklos, das zu machen. Man sollte sie akzeptieren. Die fressen jetzt. Wichtig ist, im Herbst oder Frühjahr die Eigelege mechanisch zu vernichten und so die Nachkommen für das nächste Jahr zu dezimieren.

Wenn man die Nacktschnecken trotzdem schon jetzt tötet: Sind diese Tiere schmerzempfindlich?

Das haben wir noch nicht getestet. Aber da sie Lebewesen sind, werden sie auch Schmerzen haben, davon gehe ich aus.

Wie tötet man die Schnecken also mit möglichst wenig Schmerzen?

Wie gesagt: Am günstigsten ist es, die Eigelege zu vernichten. Dann gibt es noch einige chemische Präparate, die man anwenden könnte. Das sind Phosphate etwa. Die sind auf dem Markt und sehr umweltfreundlich. Die Schnecken bekommen einen Farbstoff und können nichts mehr fressen und verhungern. Eine weitere Möglichkeit sind Alkoholpräparate. Da vertrocknen die Schnecken. Ob das dann schmerzlos für die Schnecken ist, das weiß ich nicht. Es gibt auch biologische Geschichten, die aber derzeit noch untersucht werden. Da werden die Tiere mit Bakterien infiziert, können nicht mehr fressen – und verhungern ebenfalls.

Tun Ihnen die Tiere eigentlich leid, wenn man sie vernichten muss?

Ja, es hat sicher etwas mit Moral zu tun, Schnecken zu töten. Deshalb geht es darum, nicht alle zu vernichten, sondern sie zu dezimieren, sie vielleicht von Kulturen mechanisch abzulenken, etwa durch Streckenzäune. Man sollte Pflanzenkulturen, die für Schnecken und Menschen attraktiv sind wie Bohnen und Salat, mechanisch schützen, dass die Schnecken nicht rankommen.

Wenn man sie getötet hat: Wie schmecken denn die spanischen Wegschnecken? Kann man sie vielleicht sogar essen?

Ich habe sie noch nicht gegessen. In einigen Ländern Europas werden ja Schnecken gegessen. Aber dass die Spanische Wegschnecke gegessen würde, ist mir nicht bekannt. Vielleicht muss man ja noch mal darüber nachdenken – oder Köche fragen.

Finden Sie diese Schnecken eigentlich eklig?

Ich finde sie nicht eklig. Ich habe auch Untersuchungen mit ihnen gemacht. Dieser Schleim ist natürlich etwas hartnäckig und klebrig. Es gibt ja auch ein Schulprojekt in Berlin, wo daraus ein Kleber entwickelt wurde. Das ist vielleicht etwas unangenehm. Aber es sind schöne Tiere – wenn man sie sich genau betrachtet, sind sie sehr schön. Sie haben eine Überlebensstrategie, bei der wir alles Mögliche erfinden können, aber sie nicht ausrotten werden.

Mancher Berliner Laubenpieper empfiehlt in der einschlägigen Presse, im Garten die getigerte Nacktschnecke gegen die Spanische Wegschnecke anzusetzen: Das stelle ich mir ziemlich grausig vor, dass die einen Schnecken die andere auffressen.

Kannibalistisch ist das. Auch wenn man zum Beispiel mehrere Arion-Schnecken zusammensperrt, beißen die sich gegenseitig an. Wenn sie Hunger haben, verletzen sie sich gegenseitig und sterben dann an Bakterienkrankheiten. Kannibalismus auf engem Raum kommt vor. Deshalb gibt es in der Natur die „Migration“: Wenn zu viele da sind, gehen sie auseinander.

Wenn man hört, wie hartnäckig die Spanische Wegschnecke ist: Wird uns am Ende die Nacktschnecke überleben?

Sie hat das gleiche Recht wie wir zu leben. Es ist für beide Platz. Wir werden beide dableiben.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER

Dr. Barbara Jäckel (44) ist Gartenbau-Ingenieurin und Leiterin des Zoologischen Labors beim Berliner Pflanzenschutzamt