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: Über den Unterschied von Siegen und Gewinnen

„Gewinn heil!“ brüllen geht nicht

Seit der Kirch-Pleite ist Fußball ein Thema für die Finanzwirtschaftslangeweiler geworden. Die FAZ träumt auf Seite 1 vom Gürtel-enger-Schnallen, von einer „Rückkehr zur Normalität.“ Dabei ist Fußball für Fans erfreulicherweise das Gegenteil dessen, was unter der Gruselvokabel Normalität subsummiert wird. So bleibt EIN Ritual unverzichtbar: Zum Kiosk gehen, das Kicker-Sonderheft kaufen, den Spielplan begucken und ihn, Kalender auf dem Tisch und Stift in der Hand, mit den eigenen Engagements abgleichen.

Achteinhalb Monate kommender Lebenszeit richten sich einen Nachmittag lang am Bundesliga-Spielplan aus. Wer einem Verein anhängt, der in der Champions League spielt, kann sogar ein paar schönen Auslandsausflügen entgegensehen. Mit einer kleinen Reisegruppe nach Manchester oder Madrid. Die Süße unter den Arm klemmen und schön nach Lissabon oder Porto. Frankreich! Italien! Oh, wie lecker wird das alles!

Die Planerei ist von einer naiven Vorfreude durchdrungen, wie man sie als Kind in der Weihnachtszeit empfand – obwohl man doch längst weiß, dass es wieder werden wird wie Weihnachten: eher fürchterlich. Welche Gestalten da wieder lauern! Die Lallbacken, die den Hirntod auf Raten bringen. Dazu vermehrt die populistisch sich anklemmenden Peinpolitiker, das Ranzlappengehüchel – der ganze Husten, dem man beim Fußball entgehen will, ist immer schon da. Und doch: Es ist immerhin Fußball, und nicht die patriotisch Fahnen schwenkende, hymnenbrüllwürfelnde WM! Puh, war das finster! Der Zwangscharakter Oliver Kahn als Held der Deutschen, wie sie sich seit Siegfried und Adolf keinen mehr gebastelt hatten. Besitzt noch jemand die Kahn-Maske zum Ausschneiden, aus der Bild am Sonntag vom 30. Juni? Ich habe das Dokument des brutalen Bösen aufgehoben. Die Steigerung des „Beißers“ aus dem Bond-Film, als Kopie vor Millionen deutsche Gesichter gehängt – das war der schreckliche Plan der BamS. Doch wie schrieb Hölderlin: „Lasst uns vorwärts nicht und zurück nicht blicken im schwankenden Kahn auf der See.“ So wurde es nichts mit dem Titel für einen, der immer mussmussmuss, der nicht verlieren und deshalb auch nicht gewinnen kann.

Es gibt einen großen feinen Unterschied zwischen siegen und gewinnen. Siegen ist triumphierend-auftrumpfend – gewinnen dagegen leichtfüßig, auch das Glückliche am Erfolg zugebend. Lotteriesiege gibt es nicht, nur Lotteriegewinne. Und „Gewinn heil!“ brüllen geht nicht, das schafft nicht einmal Oliver Kahn. WIGLAF DROSTE