Uribes neue Spitzel

Kolumbiens neuer Präsident Álvaro Uribe kündigt eine flächendeckende Bespitzelung und Militarisierung an

BOGOTÁ taz ■ Gleich auf seiner ersten Reise als Präsident hat Álvaro Uribe klar gemacht, dass ihn Menschenrechtskritik wenig kümmert. In der karibischen Provinzhauptstadt Valledupar kündigte er an, die Armee werde bis Jahresende 100.000 Kolumbianer als „Hilfspolizisten und -soldaten“ anheuern. Später will Uribe eine Million Menschen in das Programm einbinden. Befürchtungen, sie könnten ins Visier der Guerilla geraten, weist er von sich. Gehe die Zahl der Informanten in die tausende, „müssen sie uns alle töten“, meint Uribe.

Die Spitzel seien „Soldaten, die zu Hause wohnen“, und erhielten eine „kleine Entlohnung“. Männer könnten sich statt des einjährigen Militärdienstes an dem Programm beteiligen, sagt Uribe. Das Informantennetz soll vor allem in den ländlichen Gebieten greifen, in denen die Guerilla präsent ist. In den Städten sind ähnliche Maßnahmen geplant. So können Bogotás Schulabgänger ihren Wehrdienst künftig in ihrem Wohnviertel absolvieren. Als unbewaffnete Hilfssoldaten bekommen sie eine Grundausbildung und sollen die reguläre Polizei gegen „Terrorismus“ und gewöhnliche Kriminalität unterstützen.

Uribes Strategie wird von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. „Unvermeidlich“ werde sich die „Spirale der politischen Gewalt weiterdrehen“, befüchtet Irene Khan, Generalsekretärin von amnesty international, in einem offenen Brief. Die Zivilbevölkerung werde weiter in den Konflikt hineingezogen und Racheakten ausgesetzt. Außerdem könnte eine „neue bewaffnete Kraft“ entstehen, die rechtsextreme Paramilitärs stärke.

Auch in Kolumbien selbst warnen immer mehr Stimmen vor einem drohenden Polizeistaat. Seit Uribes Amtsantritt am Mittwoch gab es Dutzende neuer Todesopfer. Bei Gefechten zwischen Paramilitärs und Guerillas im Süden der Provinz Bolívar sollen 50 Kämpfer auf beiden Seiten umgekommen sein. In der Provinz Antioquia will die Armee 20 Paramilitärs getötet haben. Da eine unabhängige Kriegsberichterstattung nur in Ausnahmefällen existiert, sind solche Nachrichten von Armeesprechern mit Vorsicht zu genießen. Dies gilt auch für die von Geheimdienstlern bekräftigte Version, hinter den Granatanschlägen vom Mittwoch stünde die Farc. Demnach hätte die Guerilla in IRA-Manier 100 Raketen abfeuern wollen. Durchaus denkbar – aber ebenso könnten die Attacken von rechts gekommen sein, um weiter den Boden für autoritäre Lösungen zu bereiten. GERHARD DILGER