Bewegungen in Nordkorea

Ab heute soll es zwischen Nord- und Südkorea wieder Gespräche auf Ministerebene geben. Desolate Wirtschaftslage sorgt im Norden für Wirtschafts- und Preisreformen

PEKING taz ■ Nordkoreas Führer Kim Jong Il scheint sein abgeschottetes Land wieder einen kleinen Spalt zur Welt zu öffnen. So soll es dieser Tage wieder Begegnungen zwischen Vertretern Nord- und Südkoreas geben, nachdem die Kontakte beider Seiten kürzlich nach einem Seegefecht auf einem Tiefpunkt waren. Ab heute wollen sich Minister des Südens und Nordens in Seoul treffen und über eine Straßen- und Eisenbahnverbindung zwischen beiden Teilen der Halbinsel verhandeln. Seoul wünscht auch die Zusammenführung von Familien, die seit dem Koreakrieg getrennt sind.

Vielleicht können auch bald Sportler aus dem Norden an internationalen Wettkämpfen im Süden teilnehmen. Seoul akzeptierte am Wochenende Pjöngjangs Vorschlag, noch diese Woche über die Teilnahme nordkoreanischer Athleten an den Asienspielen zu sprechen. Dieser wichtigste Wettkampf Asiens findet im September im südlichen Pusan statt. Nach südkoreanischen Presseberichten will Nordkorea bis zu tausend Sportler, Kader, „Artisten“ und „Fans“ schicken. Südkoreas Organisationskomitee bot an, für sie ein Apartmenthaus bereitzustellen. Schon zerbrechen sich Pusans Sportfunktionäre den Kopf, unter welcher Fahne die Nordkoreaner antreten könnten: In Südkorea ist die des kommunistischen Nordens verboten.

Auch auf internationaler Ebene scheint Nordkorea offener: Unbestätigt ist noch eine Meldung der russischen Zeitung Iswestija, nach der Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Kim in der zweiten Augusthälfte in Wladiwostok konferieren wollen. Die Russen brachten sich in den letzten Wochen verstärkt als Vermittler zwischen dem in Nordkoreas Propaganda als „Lieber Führer Genosse General“ bezeichneten Kim und dessen asiatischen Nachbarn ins Spiel.

Die US-Regierung will offenbar diese Treffen abwarten, bevor sie im September über die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Pjöngjang entscheidet. Sie sind seit dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush vor zwei Jahren unterbrochen. Bush zählt Nordkorea zur „Achse des Bösen“. Allerdings sprachen Nordkoreas Außenminister Paek Nam Sun und sein US-Kollege Colin Powell Ende Juli eine Viertelstunde informell am Rande der Asean-Außenministerkonferenz in Brunei miteinander. Washington macht bessere Beziehungen unter anderem von Pjöngjangs Bereitschaft abhängig, internationale Waffeninspektoren zuzulassen. Die USA fürchten, Nordkorea könne Atombomben entwickeln.

Beim Baubeginn von zwei Leichtwasserreaktoren, die nach einem 1994 geschlossenen Abkommen von amerikanischen, japanischen, europäischen und südkoreanischen Firmen in Nordkoreas Stadt Kumho errichtet werden, forderte US-Vertreter Jack Pritchard vergangene Woche von Pjöngjang, Waffeninspektoren „sofort“ zu akzeptieren. Nordkorea allerdings will die Überwacher, die es im Vertrag von 1994 akzeptierte, nicht vor 2005 empfangen.

Hinter Nordkoreas diplomatischen Aktivitäten steht die verzweifelte Wirtschaftslage: Transport, Energieversorgung und landwirtschaftliche Produktion sind in Teilen des Landes zusammengebrochen. Weil es an Brennstoff fehlt, stehen Fabriken still, bleiben Fischerboote im Hafen, fahren auf Überlandstraßen kaum Autos. Sogar das Militär leidet an Benzinknappheit. Bislang hielt sich das Land nur mit Nahrungsmittelspenden – vor allem aus den USA, Südkorea und Japan – über Wasser. Doch Tokio und Seoul hielten in den letzten Monaten Teile ihrer Hilfe zurück, um Nordkorea zu mehr Gegenleistungen zu zwingen.

Der Mangel ist auch Grund für einige Wirtschaftsreformen im Norden, über die jetzt Einzelheiten bekannt wurden. Um die Produktion der Bauern zu steigern, will ihnen die Regierung künftig für Reis vierzig- und für Kartoffeln viermal so viel zahlen. Das entspricht etwa den Preisen auf „freien“ Märkten, die Ende der 90er-Jahre zugelassen wurden. Seit dem 1. Juli erhöhten sich die Löhne der Städter, aber nur um das 10- bis 20fache. Dafür muss deutlich mehr für Wohnungen , Strom und Transport bezahlt werden. Welche Folgen die Reformen haben, ist noch nicht abzusehen. JUTTA LIETSCH