1 + 1= 3 im Zweifelsgrund

Im Bermuda-Dreieck zwischen Hamburg, Bremen und Hannover ist jetzt die bildende Kunst der F.S.K.-Bassistin Michaele Melián zu sehen: von Reconstructing Rothenburg bis zu den Up-to-date-Haarmoden aus der Bravo Girl

Das Ende einer Ehe: Nach ihrer ersten Autofahrt ließ Bertha Benz ihren Carl sitzen

„Kunst und Politik gingen zusammen tanzen / Zu einem Afroindianer-anti-AKW-Orchester / Traten sich auf die Füße, ihre Lider wurden schwer / Sprach die Kunst zur Politik: Geh’n wir schlafen, Schwester?“ So heißt es in einem Song von F.S.K. von 1996. Weder Euphorie noch Kritik sind bei der Münchner Musik-Recycle-Maschine ohne charmantes Augenzwinkern zu haben. Michaela Melián, 1956 in München geboren, spielt dort Bass, singt, schreibt Musik und Texte. Seit zwanzig Jahren.

Angefangen hat alles während des Studiums. Konservatorium zunächst, dann Akademie, Musik und Kunst – und immer München. Spurensuche an vielen Orten. Und immer wieder zurück nach Bayern. „Hitler lives!“, crooned sie. Peel Session in London, späte 80er. Spurensuche in Bild, Leben, Text, Musik. Und immer wieder zurück zur Kunst. Und zur Politik.

Schläfrig ist das nicht, sondern ungemein wach. F.S.K. entstand aus einer Zeitschrift, die den wunderschönen Titel „Mode & Verzweiflung“ trug. Gut zwanzig Jahre weiter. Lüneburger Heide 2002. Auf dem Springhornhof, einem Kunstort mit Geschichte im Bermuda-Dreieck zwischen Hamburg, Bremen und Hannover, ist jetzt „Triangel“ zu sehen, eine Einzelausstellung. Sie verbindet Neues und Weitergeführtes, ist Retrospektive und aktuelles Projekt zugleich.

Michaela Melián ist da zum Gespräch. „Das sind acht Stunden mit dem Zug von Zuhause. Ein richtiger Arbeitstag.“ Und lacht. Sie erläutert, kommentiert, diskutiert ihre Arbeitsweisen und Projekte. So was Uneitles in zeitgenössischer Kunst! Obwohl ihre Arbeiten stets von, nun ja: diskursiven Räumen her gedacht sind – keine Textmäander mit Namedropping, keine Szeneseligkeit. Melián hat ein Anliegen. Und es ist ihr nicht wurscht, ob die Leute verstehen, worum es geht.

Sie inszeniert Räume: gedachte und reale, vergangene und gegenwärtige. Ihre Formsprache ist klar und übersichtlich. Schnell kommen die Objekte, Zeichnungen und Installationen, zum Punkt. Wie in den luftigen Objekten zum Thema „Live is a Woman“. Obwohl es thematisch alles andere als lustig zugeht. Ein großes Kleid überdeckt die Holzkonstruktion eines Daimlers. Das ist die „Bertha Benz Konstruktion“, nach, für, über Carl Benz’ Frau, die mit der ersten Überlandfahrt ihren automobilen Mann verließ. „Nachdem Lady Di an den Pfeiler gefahren war in Paris, kam von der Konzernleitung die Maßgabe, man möge in den Showrooms jenes Luxusmodell verhüllen, in dem sie starb.“

Auch über die Schauspielerin Hedy LaMar, die neben der Nacktszene auch ein Kodiersystem für Torpedos erfand, gibt’s ein Holz-Stoff-Objekt. Mit der Publizistin Berta Pappenheim wird eine dritte Frauenbiografie geborgen, geradezu herausgeschraubt aus der „Anna O.“-Chiffre der Hysteriestudien von Freud.

Im Raum „Reconstructing Rothenburg“ finden sich Namen und Adressen. Wie ein Relief, immer an der Wand lang. Melián hat sie abgepinnt von der Stadtmauer an der Tauber. Sämtlich Geldgeber, die halfen, die weitgehend zerstörte Stadt ‚Bavarian style‘ wieder aufzubauen. „Warum haben diese Leute, die oft gar nicht mehr in Deutschland lebten, ein derart lebhaftes Interesse daran, alles wieder herzurichten – zumal einige der Firmen Teil der NS-Kriegswirtschaft waren?“

Melián baut diese Arbeit um die alten Holzpfeiler des Springhornhofs herum, wie als Hinweis, dass Architektur auch anders funktionieren kann. Ganz anders „Identity Kit“: eine Serie von vierzig Zeichnungen plus Mobile. In einer Ecke hängen Frisuren, in Originalgröße auf kopfförmigen Plexiglasscheiben. Schaut man durch, hat man die Up-to-date-Haarmode der vergangenen Saison am Kopf. Die Vorlagen stammen aus der Bravo Girl, die Stars und Sternchen die Gesichter wegretuschierte. Immer wieder wird der ent- oder verhüllende Stoff zitiert, be- und verarbeitet. Zu zeigen, wie das kulturelle Artefakt Körper funktioniert. Back to the roots. Oder auch ganz schlicht: Mode & Verzweiflung. Tim Schomacker

„Triangel“ ist noch bis zum 1. September auf dem Springhornhof in Neuenkirchen zu sehen. Ein Katalogbuch wird im Anschluss an die Ausstellung erscheinen. Informationen zu Geschichte und Programm (inkl. Wegbeschreibung) des Kunstvereins sind unter www.springhornhof.de einzusehen.