Wahl 2002: Wer zuletzt lacht
: Themen mit Ernstcharakter

Frank Nullmeier, derzeit noch Politik-Professor an der Uni Essen, hat einen Ruf an die Bremer Universität, wo er als Abteilungsleiter des Zentrums für Sozialpolitik arbeiten wird. Seine Schwerpunkte sind Parteien und der Wohlfahrtsstaat.

taz: „Nur ein Wunder kann Schröder noch retten“, sagt ihr künftiger Kollege Lothar Probst. Was sagen Sie?

Frank Nullmeier: Ich halte das Ergebnis für offen. Wenn alle fünf Parteien in den Bundestag kommen, gibt es noch eine Chance für Rot-Grün.

Ist das eine Richtungswahl?

Wenn es um Rot-Grün einerseits und CDU/CSU-FDP andererseits geht, dann fallen doch bedeutende Unterschiede auf, zum Beispiel in der Einwanderungs- und Energiepolitik. In der Wirtschafts- und Außenpolitik sind die rhetorischen Unterschiede größer als die tatsächlichen. Für die dramatische Situation der öffentlichen Haushalte wäre eine Große Koalition das sachlich vielleicht Günstigste.

Stichwort Wahlkampf: Auch die Bremer Parteigrößen haben sich im „Duell“ versucht. Wirklich gezogen hat keiner. Wie wichtig ist es denn, lokal für die Bundestagswahl zu mobilisieren?

Die SPD muss, das wissen wir aus den erfolgreichen Wahlkämpfen ‘72 und ‘98, ihre eigene Anhängerschaft mobilisieren – im Moment funktioniert das nicht, weil Schröder nur ein bisschen soziale Gerechtigkeit antäuscht.

In Bremen hat man den Eindruck, alle haben ihre Form gefunden: Die Grünen joggen, die CDU radelt, nur die SPD weiß nicht, wohin.

Es könnte ja sein, dass gerade die, die ihre Form gefunden haben, daneben liegen. Im Frühjahr dachten wir noch, wir haben einen Entertainment-Wahlkampf. Jetzt tauchen Themen mit Ernstcharakter auf. Da kann man nicht mehr im Wahlkampf auf Freizeitaktivitäten und Lebensstile setzen. Und gerade weil die SPD ihren Kampfstil alle drei Wochen ändert – erst Polarisierung, dann wieder nicht, dann doch wieder –, kann sie noch zu einer funktionierenden Form finden. Die anderen Parteien sind dann nicht mehr reaktionsfähig.

Könnte der Erhalt kleiner Bundesländer eine Rolle spielen im Bundeswahlkampf?

Da wäre das Stoiber-Team ja von allen guten Geistern verlassen, wenn es dazu eine Vorlage machen würde. Aber nach der Wahl ist durch die dramatische öffentliche Finanzlage natürlich alles möglich.

Fragen: hey