Álvaro Uribe macht jetzt mobil

Kolumbiens Präsident verhängt einen 90-tägigen Ausnahmezustand. Mit einer Sondersteuer für Reiche will die Regierung zusätzlich 800 Millionen Euro für die Finanzierung des Krieges eintreiben. Kaum Widerstand von der zivilen Opposition

aus Bogotá GERHARD DILGER

Die kolumbianische Regierung hat in der Nacht zu Montag den Ausnahmezustand verhängt. Nach einer mehrstündigen Kabinettssitzung gab Innen- und Justizminister Fernando Londoño die Entscheidung bekannt, ohne in Details zu gehen. Den „gravierenden Tatbeständen der letzten Wochen“ müsse mit außergewöhnlichen Mitteln begegnet werden, sagte Londoño. „Ein ausgedehntes Terrorregime“ bedeute „einen Mangel an Sicherheit für den durchschnittlichen Kolumbianer“, habe direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft und erschwere das Leben der Armen.

Nach der kolumbianischen Verfassung gilt der Ausnahmezustand für drei Monate und kann danach zweimal um dieselbe Dauer verlängert werden. Er ermöglicht es dem Präsidenten, Gesetze per Dekret zu erlassen und damit das Parlament zu umgehen. In den Begründungen zu dem Kabinettsbeschluss heißt es, die „infamen Attacken gegen das kolumbianische Volk“ hätte ihren Ursprung hauptsächlich in den Aktionen „bewaffneter Banden“, die sich durch den Drogenhandel, Entführungen und Erpressungen finanzierten. Die Haushaltsmittel reichten für den Ausbau und die Modernisierung von Armee und Polizei nicht aus.

Gleichzeitig beschloss das Kabinett als erste konkrete Maßnahme eine Sondersteuer von 1,2 Prozent auf das Vermögen von Unternehmen und Privatpersonen, deren Barguthaben 60.000 Euro übersteigt. Dadurch erhofft sich die Regierung zusätzliche Einnahmen von 800 Millionen Euro. Mit diesen Mitteln sollen 10.000 neue Polizisten eingestellt und zwei mobile Sonderbrigaden der Armee mit bis zu 3.000 Mann gebildet werden. Auch die ersten 100.000 Informanten, die die Regierung bis zum Ende des Jahres für die Zusammenarbeit mit Polizei und Militär verpflichten will, sollen aus diesem Topf finanziert werden. Weitere Dekrete will Präsident Álvaro Uribe im Lauf dieser Woche verabschieden.

Ernsthaften Widerstand hat er weder aus dem Parlament noch von der Presse zu befürchten. Im Gegenteil: Die Offensive der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc) nach Uribes Wahlsieg Ende Mai, insbesondere ihre Todesdrohungen gegen tausende von Bürgermeistern und Kommunalpolitikern, verschafft dem Präsidenten weitgehend freie Hand. Selbst linke Politiker signalisierten gestern Verständnis: „Gänzliche neue Umstände“ wie die Terrorattacken in Bogotá am vergangenen Mittwoch machten „besondere Maßnahmen“ erforderlich, sagte der ehemalige Verfassungsrichter und jetzige Senator Carlos Gaviria. „Jeder Staat hat das Recht, sich zu verteidigen“, so Lucho Garzón, Expräsidentschaftskandidat und Kopf des Oppositionsbündnisses „Demokratischer Pol“. Jedoch müssten die Maßnahmen genau daraufhin geprüft werden, ob sie sich tatsächlich nur gegen die Guerilla richten oder nicht auch gegen vermeintliche Unterstützer. Hier liege die eigentliche Gefahr des Ausnahmezustands. Nach offiziellen Angaben sind seit dem Amtsantritt Uribes am Mittwoch bei Anschlägen und Gefechten über 115 Menschen getötet worden.