Keine Proteste gegen PDS-Kränze

Zum 41. Jahrestag des Mauerbaus legten PDS-Vertreter erstmals als Mitglieder einer Regierungspartei der Stadt in Kreuzberg und Wedding Kränze für die Mauertoten nieder – und weder SED-Opfer noch Altstalinisten protestierten

Vielleicht lag es ja am Regen: Erstmals legten Repräsentanten der SED-Nachfolge-Partei PDS als Mitglieder einer Regierungspartei der Stadt in trauerndem Gedenken Kränze für die Opfer des Grenzregimes ihrer Vorläufer-Partei nieder – und niemand protestierte. Weder bei der Feierzeremonie vor dem Denkmal für das Maueropfer Peter Fechter in Kreuzberg noch bei der zweiten zentralen Gedenkfeier an der Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße gab es Proteste von SED-Opfern, denen in der Regel und sehr leicht die Galle hoch geht, wenn sie die Demokratischen Sozialisten bei ihrer Vergangenheitsbewältigung erleben müssen. Auch in der PDS, so berichtet die stellvertretende Bundesvorsitzende und langjährige Berliner Parteichefin, Petra Pau, habe es in diesem Jahr keine Proteste dagegen gegeben, dass sie einen Kranz für die Maueropfer niedergelegt habe. Eine Normalisierung auf beiden Seiten der Kalte-Kriegs-Front also?

Es sieht danach aus. Ein Jahr nach der Gedenkorgie zum 40. Jahrestag des Mauerbaus scheinen sich die Gemüter der SED-Opfer und die Gefühle der PDS-Altstalinisten beruhigt zu haben: Jens Planer-Friedrich vom „Bürgerbüro“, einem „Verein zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur“, schickte noch am Vortag eine Mitteilung herum, dass nun doch PDS-Repräsentanten bei der Kranzniederlegung an der Bernauer Straße ein Gesteck niederlegen würden, was lange in der Schwebe war. Dennoch gab es keine Proteste von SED-Opfern bei der Zeremonie.

Nur der dortige Pfarrer Manfred Fischer machte eine dunkle Andeutung über den ehemaligen PDS-Star Gregor Gysi und dessen Flucht aus der Verantwortung – ohne allerdings seinen Namen zu nennen. Niemand, auch die CDU-Bundeschefin Angela Merkel nicht, erwähnte die PDS, trotz des Wahlkampfes. Sind die alten Schlachten endgültig Vergangenheit? Oder sind die SED-Opfer einfach nur des vergeblichen Kampfes müde?

Und könnte das auf die PDS-Betonköpfe auf der anderen Seite ebenfalls zutreffen? Oder halten sie sich in alter Kader-Treue nur an die Reform-Linie der Bundes- und Landesspitze? Die Landes- und Fraktionsvorsitzenden der PDS, Stefan Liebich und Harald Wolf, distanzierten sich öffentlich vom Mauerbau. Sie benutzten dabei wortgleich eine Erklärung, die der Landesparteitag im Juni 2001 verabschiedet hatte: Die Toten an der Mauer seien „durch nichts zu rechtfertigen“. Sie gingen sogar noch einen Schritt weiter und deuteten an, auch die „Logik des Kalten Krieges“ könne Mauertote nicht legitimieren. Das Zauberwort „Entschuldigung“ aber fiel auch dieses Jahr nicht.

Petra Pau betonte gestern, die PDS habe sich doch entschuldigt: Auf dem Sonderparteitag der SED/PDS im Dezember 1989 entschuldigte sich die Partei beim „Volk der DDR“ dafür, „dass die ehemalige Führung der SED unser Land in (eine) existenzgefährdende Krise geführt hat“. Sie persönlich habe schon seit 1992 Kränze für die Maueropfer niedergelegt – erstmals habe es nun keine Proteste gegen sie oder andere PDS-Vertreter gegeben. Also eine Normalisierung? „Offensichtlich.“ Oder vielleicht, räumt sie ein, war es bloß das schlechte Wetter. PHILIPP GESSLER