solidarpakt H20
: Kanzler wieder mit Chefsache

Es ist wie in der Geschichte vom Hasen und vom Igel. Während die Union angesichts der Fluten in Süd- und Ostdeutschland mühsam Umweltkompetenz im Kompetenzteam nachzuweisen sucht, ist der Kanzler zwei Schritte weiter. Noch ist die Ostdeutsche Angela Merkel damit beschäftigt, den Umweltschutz zur Chefsache der Union zu erklären, da legt der Kanzler mit seiner Chefsache Ost nach. Jetzt will er prüfen, ob der Solidarpakt II vorgezogen werden könne. Ein kluger Schachzug, der den Wahlausgang zumindest im wechselwählerischen Ostdeutschland wieder offen erscheinen lässt.

Kommentarvon NICK REIMER

Das Werk von zehn Jahren sei in einer Nacht zerstört, hatte Schröder bei der Ortsbesichtigung in Grimma gesagt. Damit hat er all das nachgeholt, worauf die Ostdeutschen eine Legislatur lang gewartet haben: Anerkennung. Eine grandiose Abwendung von Faulenzerdebatte und der Tatenlosigkeit bei wirtschaftlicher Stagnation. Nun lautet Schröders Botschaft: Ihr Ostdeutschen habt fleißig gearbeitet. Euch widerfährt großes Unglück. Ich aber werde euch helfen.

Während sich also die Union in der Umweltpolitik verstrickt, erklärt Schröder den verzweifelten Menschen, wie ihr Leben wieder ins Lot kommen könnte. Das treibt Herausforderer Stoiber in weiteres Mal in die Defensive. Denn gegen Schröders Vorstoß, sosehr der Kanzler auch im Wahlkampf steht, kann Stoiber nicht wettern. Wenn den Ostdeutschen etwas von der politischen Biografie des bayerischen Ministerpräsidenten haften geblieben ist, dann dessen harter Kampf gegen den Solidarpakt II. Mühsam hat der Herausforderer auf seinen Ostreisen seinen schlechten Eindruck zu mildern versucht.

Beipflichten kann Stoiber seinem Widersacher aber ebenso wenig – zu deutlich trägt der Solidarpakt II die Handschrift Schröders. Er hat das Zahlenwerk gegen die Widerstände aus dem schwarzen Süden und dem reichen Westen durchgeboxt. Und er hat den Pakt so ausgeformt, dass die Regierung handeln kann, ohne den komplizierten Bund-Länder-Finanzausgleich noch einmal gänzlich aufzuschnüren. Wenn Schröder Ernst macht, kann er handeln.

Des Kanzlers Schachzug ist aber auch in finanzpolitischer Hinsicht klug. Schon lange raten Wirtschaftsforschungsinstitute, den Solidarpakt II vorzuziehen. Dazu bietet sich mit den enormen Schäden in Dresden und anderen Städten jetzt ein passender Anlass. Auszahlen muss der Bund die Solidarpaktmilliarden sowieso. Früher oder später.