Ein Diskurs über Wissenschaft

FU-Präsident ist sauer auf Wissenschaftssenator. Bankenkritiker ist der freudige Dritte

Wie frei darf die Wissenschaft sein? Die alte Frage erfährt derzeit höchst unterschiedliche Auslegungen. Schuld daran ist mal wieder der Berliner Bankenskandal beziehungsweise die gleichnamige Initiative des FU-Professors Peter Grottian. Neueste Wellen in den bislang Uni-internen Streit schlug eine Erklärung von Kultur- und Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS), der Grottian den Rücken stärkte.

Dessen Engagement gehöre zum Selbstverständnis als Wissenschaftler. „Dieses Verständnis teile ich“, watschte Flierl den Präsidenten Gaehtgens ab. Flierl habe nur vor einer Konfliktverschiebung warnen wollen, so sein Sprecher Torsten Wöhlert: „Wenn ein x-beliebiger Professor nach einer Tibetreise 100 Briefe mit Unibriefkopf an Menschenrechtsaktivisten verschickt, erregt das auch nicht den Unmut des Uni-Präsidenten.“ Gaehtgens und Flierl hätten inzwischen telefoniert und sich geeinigt, dass ein politischer Konflikt nicht stellvertretend über das Dienstrecht ausgetragen werde. Ob Gaehtgens damit zufrieden ist, bleibt offen. Er hatte keine Zeit für diesbezügliche Fragen.

Zuvor hatte er sich noch von Flierl „desavouiert“ gefühlt und weiter gegen Grottian gewettert. Der Professor und Initiativengründer solle sich mal die Weber’sche Auffassung von „Wissenschaft als Beruf“ zu Gemüte führen. Denn der Soziologen-Übervater habe seine Zunft dazu angehalten, „Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu analysieren. Aber er hat sich von einer Bewertung zurückgehalten.“ Die, so Gaehtgens mit Weber, gebühre allein der Politik.

Grottian ist entgeistert: „Ich begreife immer weniger, was das soll“, sagte er der taz. Gaehtgens habe offenbar gar nicht verstanden, warum Grottian sich so harsch geäußert habe. „Wenn man einem Politologen sagt, er darf sich nicht einmischen, dann ist das schon ein starkes Stück.“ Gaehtgens habe anscheinend immer noch eine Neutralitätsauffassung von Wissenschaft. „Aber nach dem Finden der Erkenntnis, da muss sich doch Einmischung ergeben dürfen.“

So sah es auch Flierl, der auf den grundgesetzlichen Schutz der Freiheit von Lehre und Forschung verwies. Grottian freut sich über solchen Rückenwind und schickte dem Senator sogleich ein Dankesfax. „Ich hätte das gar nicht erwartet und hatte auch nicht darum gebeten.“

ANETT KELLER