ulrike herrmann über Non-Profit
: Er verheddert sich, sie sorgt für Ordnung

Gemischtgeschlechtlich vor dem Werbeplakat: Nächtliche Projektionen, Strategien und ein Bekenntnis

Fünf Frauen und ein Mann waren in der Kneipe. Sie streben nach Hause, wollen ins Bett. Doch das Plakat überrascht sie, sie bleiben stehen. Zu sehen ist ein Paar.

„Ist doch typisch. Sie guckt ihn an, aber er nicht sie.“ Das sagt Monika. Ihr Mann hat sich gerade von ihr getrennt. Sie trauert noch, doch wir finden, dass ihr das Ende der Beziehung gut tut. Bis vor kurzem war sie unsere Kneipen-Uschi-Glas. Sie glaubte so ernsthaft an ihre perfekte Ehe, dass sie nervig missionierte. Das konnten die drei Singles unter uns gar nicht leiden.

Einer davon ist Frank, der jeden Mann gegen die Frauen verteidigt, auch einen Pappkameraden. „Na ja, aber er sieht sie fast an. Er guckt nur ganz knapp an ihr vorbei.“ Frank hat die Rolle des einzigen Männerverstehers in unserer Gruppe übernommen. Er ist übrigens auch unser einziger Frauenversteher. Wenn er erzählt, dann nur von seinen dienstlichen Erfolgen. So fehlerfrei kann niemand sein, aber wir glauben ihm trotzdem. Das ist paradox, das wissen wir – fünf Frauen begreifen sich eben selbst nicht recht.

Vier, eigentlich. Denn Kirsten ist das neuerdings egal. Seit zwei Wochen ist sie verliebt und entdeckt überall nur Liebespaare: „Sie sieht aus, als wollte sie ihn gleich küssen.“ Kirsten hat ihre neueste Beziehung über eine Kontaktanzeige kennen gelernt. Die sie aufgegeben hatte! Und zwanzig Männer haben geantwortet! Das hatte sie uns gerade in der Kneipe beim Bier erzählt.

Vier Frauen und ein Mann wollten sofort wissen, was sie geschrieben hat. Aber unsere Fragen blieben unergiebig. Als „Teetrinkerin“ hätte sie sich vorgestellt, mehr verriet sie nicht. Wir waren zu höflich, um zu sagen, dass wir nicht mehr in den 80ern leben. „Teetrinkerin“! Das konnte den Erfolg bestimmt nicht erklären. Aber sie blieb stur und schwieg. Doch wenn sie von ihm redete, sah sie so glücklich aus, dass jede von uns heimlich beschloss, auch mal als Teetrinkerin in einer Anzeige vorzukommen.

Außer Lilly. Da kann man ziemlich sicher sein. Auch jetzt sagt sie: „Ist doch bitter. Als Frau darfst du nur eins – ihn anhimmeln.“ Lilly ist unsere Strategin. Wir anderen müssen es leider zugeben: Sie ist die Einzige von uns, die die Spiele der Macht versteht. Bis zur Abteilungsleiterin hat sie es schon gebracht. Ob sie je weiter aufsteigt, bezweifeln wir. Schließlich ist auch sie nur eine Frau. Trotzdem blitzen ihre Augen, wenn sie davon berichtet, wie sie es den Männern gegeben hat. „Und die Jungs werden nie begreifen, was passiert ist.“ Wir verstehen es allerdings auch nicht, selbst Frank nicht. Wir wollen es auch gar nicht wissen, müssen uns aber trotzdem jedes Mal beim Bier Vorträge über die Taktik bei Büroallianzen anhören. „Man muss natürlich vorher sondieren, was läuft.“ Aha.

Nein, wir sind nicht neidisch auf Lilly. Neid äußert sich anders: „Die beiden sind echt braun.“ Birgit ist nämlich ziemlich bleich. Außerdem hat sie ein Solarium-Trauma, von dem sie gern erzählt. Sie war gerade fertig mit dem Examen und hatte ein wichtiges Vorstellungsgespräch. „Da wollte ich gesund aussehen.“ Also legte sie sich unter die Sonnenbank. „10 Minuten sollte man sich nur bräunen, das stand draußen dran!“ Daher schaltete sie die Zeituhr großzügig auf eine Viertelstunde. Zur Sicherheit. „Aber nichts geschah!“ Sie behauptet steif und fest, dass sie die Einzige ist, die je ein Solarium genauso bleich verließ, wie es betreten wurde. „Du hast bestimmt die Zeitschaltuhr falsch eingestellt“, sagt Frank dann jedes Mal. Eine Frau würde so etwas nie anmerken. Sie würde das sagen, was wir vier Rest-Frauen auch immer sagen: „Aber letzten Sommer auf Usedom, da warst du doch unglaublich braun!“ Dieser Trost wirkt, obwohl Lilly stets zurückgibt: „Das war eine Ausnahme.“

Auch ich sage, was ich oft sage: „Ich mag die Frau.“ Vier Freundinnen und ein Freund hören kaum zu. Das kennen sie schon. Nicht immer, aber immer öfter berichte ich in der Kneipe, wie es „wirklich“ war auf der letzten Pressekonferenz. Es regt mich auf, dass sie ihn auf den Plakaten bewundern muss, obwohl er ohne sie scheitern würde. Denn er verheddert sich in seinen Gedanken, sobald es komplizierter wird. Dann stellt sie den Zusammenhang her, bringt Ordnung in sein Gehirn. „Ach komm, wir gehen“, wehrt Frank ab, der diese Tiraden auf die Männer satt hat.

Und so lassen wir Angela Merkel und Edmund Stoiber stehen, obwohl sie ihre intime Nähe mit uns teilen wollen. „Gemeinsam für Deutschland“ locken die beiden. Aber unsere Kneipenrunde ist schon voll.

Fragen zu Non-Profit?kolumne@taz.de