DER SCHWUR DER TOPMANAGER IST PATHETISCH, ABER ANGEMESSEN
: Nun nehmen die Chefs ihre Bilanzen ernst

Die US-Regierung will dem Kapitalismus ein Gesicht geben: Firmenbosse sollen persönlich die Korrektheit der Bilanzen beschwören. Früher war es die Aufgabe von namenlosen grauen Buchprüfern, das ordnungsgemäße Zahlenwerk zu bestätigen. Und die Analysten der Investmentbanken waren für die Plausibilitätskontrolle zuständig.

Mehrere Skandale zeigten: Beide Instanzen haben komplett versagt. Geprellte Anleger verlangten wutschäumend, dass schuldige Manager in Handschellen abgeführt werden. Dies bot der US-Regierung, deren Mitglieder zum Teil selbst in obskure Deals verwickelt waren, die willkommene Gelegenheit, als Rächer der entrechteten Aktionäre aufzutreten. „Nach bestem Wissen und Gewissen“ müssen Firmenbosse ab sofort regelmäßig persönlich beschwören, dass die Bilanzen korrekt sind. Solcherart öffentlich Zeugnis abzulegen gehört in den USA zur Kultur.

Aber so pathetisch ein solcher Massenschwur klingen mag – es ist durchaus angemessen, Unternehmensvorstände in die persönliche Verantwortung zu nehmen. Das gilt umso mehr, wenn sie mit Aktienoptionen entlohnt werden, um ihnen einen persönlichen Anreiz zu geben, im Interesse der Aktionäre für steigende Börsenkurse zu sorgen. Optionen haben jedoch einen Haken: Der Empfänger riskiert im Falle sinkender Aktienkurse keine Verluste, da er ja die Optionen dann nicht einzulösen braucht – eine Einladung zu riskanten Manövern und aggressiver Buchführung. Geht’s gut, winken Millionen, geht’s schief, ist nichts passiert.

Bislang jedenfalls war es leicht, sich herauszureden, man habe von aufgeblasenen Bilanzen nichts gewusst. Durch die neuen Regeln aber haben die Chefs einen persönlichen Anreiz, sich genau damit zu beschäftigen, ob die Gewinnzahlen legal sind. Andernfalls drohen bis zu 20 Jahre Knast. Auch wenn künftig Staatsanwälte erst mal nachweisen müssen, dass ein Vorstandschef fälschlich die Bilanzen beeidigte, so zeigt die Tatsache, dass die meisten Chefs mit ihrem ersten Schwur bis zur allerletzten Minute warteten, wie ernst sie auf einmal ihre eigenen Bücher nehmen. NICOLA LIEBERT