MIT TRÄUMEREIEN GEGEN DIE BERLINER HAUSHALTSLÖCHER
: E-Mail vom Bundesfinanzminister

Berlin geht alle Deutschen an. Das klingt pathetisch, stimmt aber: zumindest alle, die in diesem Land Steuern zahlen oder auf Geld vom Staat angewiesen sind. Ein guter Teil davon geht nämlich nach Berlin. So viel, dass der Stadtstaat trotz niedrigen Steueraufkommens die höchsten Pro-Kopf-Einnahmen aller Bundesländer hat. Die Berliner träumen von noch mehr davon. Und sie sind fest davon überzeugt, tatsächlich schon bald mehr zu bekommen. Der Bund soll Teile der Schulden übernehmen und am besten noch laufende Ausgaben. Diese Mentalität kann man auf den Nenner bringen: Papa wird’s schon richten.

Papa hat jetzt aber eine E-Mail geschickt. Der Bundesfinanzminister tippte Klartext in das elektronische Leserforum einer Zeitung: Der Bund werde nicht noch zusätzlich für die Hauptstädter einspringen – die Berliner sollen ihre Probleme selbst lösen. So zeigen sich zwei Sichtweisen auf ein und dasselbe Problem. Die Berliner starren auf die aus der Zweistaatlichkeit ererbten Lasten oder neuerdings auf die Pleite der Bankgesellschaft. Der Bund hingegen nimmt genervt eine Landespolitik wahr, die gerade erst begonnen hat, ihre eigenen Probleme anzugehen.

Beide Perspektiven blenden Realitäten aus: Die Berliner verstecken hinter Teilung und Bank, dass ihre öffentlichen Verwaltungen in Deutschland beispiellos groß und beispiellos ineffizient sind. Der Bund hingegen übersieht willentlich, dass soziale Probleme im zerrissenen Riesen Berlin tatsächlich auch finanziell eine andere Dimension haben als in jeder anderen deutschen Großstadt.

Diese eingeschränkten Wahrnehmungen grenzen an Illusionen. Die pflegt man: Der rot-rote Senat hat zwar begonnen, der lokalen Öffentlichkeit zu vermitteln, dass Berlin sein zweieinhalb Milliarden schweres Jahreshaushaltsdefizit alleine abbauen muss. Mehr als Ankündigungen sind aber bisher nicht geschehen. Andererseits hängt die Bundesregierung auch nicht an die große Glocke, dass sich tatsächlich die ganze Republik am Abbau der 53 Milliarden Euro Berliner Schulden wird beteiligen müssen. Jede Lösung aber beginnt mit der Anerkennung des Gesamtproblems – nicht nur der einen seiner beiden Seiten. ROBIN ALEXANDER