Flussnaher worst case

Weiterer Ausbau und erneute Vertiefung der Elbe mehr als fraglich, sagt Verkehrsminister Bodewig. Flutprognosen auf neun Meter erhöht: In Lauenburg droht am Mittwoch die Altstadt zu versinken

von SVEN-MICHAEL VEIT

Eine erneute Vertiefung der Elbe zwischen Hamburg und Cuxhaven „steht überhaupt nicht auf der Tagesordnung“. Das erklärte Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) gestern im Gespräch mit der taz hamburg. Damit erteilte er entsprechenden Plänen des Hamburger Senats und der Handelskammer eine klare Absage.

Zunächst würden die ökologischen Auswirkungen der vor knapp zwei Jahren erfolgten Ausbaggerung des Flusses „gründlich analysiert“, versicherte Bo-dewig. Erst wenn keine schädlichen Folgen zu erkennen seien, könne „man über die nächste Vertiefung überhaupt nachzudenken beginnen“ – sofern diese ökonomisch zu begründen sein mag.

Auch einem weiteren Ausbau der Elbe oberhalb Hamburgs zu einer Rennstrecke für Binnenkähne steht der Minister, der gestern zusammen mit seiner Staatssekretärin und Eimsbüttler Abgeordneten Angelika Mertens (SPD) in Eidelstedt wahlkämpfte, inzwischen skeptischer gegenüber. „Die Elbe darf nicht zu einer Betonrinne mit Staustufen verkommen“, sagte Bodewig.

Gerade die jetzige „historische Katastrophe“ müsse das Bewusstsein dafür schärfen, dass ein etwaiger Ausbau – der in seinem Ministerium durchaus in der Planung ist – nur „fluss- und naturnah“ erfolgen könne. Zwar seien einzelne Erhöhungen oder Neubauten von Deichen nicht auszuschließen, aber es sei unzweifelhaft, „dass dem Strom Polder und Ausweichflächen zur Verfügung gestellt werden müssen“.

Schleswig-Holstein bereitet sich unterdessen auf das für Mitte nächster Woche vorhergesagte Hochwasser vor. „Wir stellen uns auf den ‚worst case‘ ein“, sagte der Kieler Innenminister Klaus Buß (SPD). Am nördlichen Elbufer und vor allem in Lauenburg müsse mit einem Fall gerechnet werden, „der möglicherweise noch nie da gewesen ist“.

Die neuesten Prognosen gehen davon aus, dass die Flut am Donnerstag Lauenburg mit einem Pegelstand von neun Metern – vier Meter über normal – erreichen wird. Dadurch würde die historische Altstadt, die direkt an den Fluss grenzt, vermutlich mindestens einen Meter hoch überflutet werden. Etwa 520 Menschen müssten vorsorglich evakuiert werden.

In der Kleinstadt tagt seit gestern ein Krisenstab, etwa 100.000 Sandsäcke sollen eingesetzt werden. Ab Sonnabend soll der einzige Deich in diesem Bereich mit einer gut zwei Kilometer langen Folie vor Durchfeuchtung gesichert werden. Bernhard Schürmann vom niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserschutz in Lüneburg korrigierte seine Vorhersagen gestern ebenfalls nach oben. Zwar befürchtet er keine Deichbrüche, „aber der Sicherheitsspielraum bemisst sich dann in Zentimetern“.

In den Hamburger Vier- und Marschlanden werden nach Einschätzung der Innenbehörde Flächen vor der Hauptdeichlinie überflutet. Lediglich einige Wochenendhäuser vor dem Overwerder Deich könnten durch die Flut bedroht werden. „Eine Gefahr für die Hamburger Stadtteile hinter der Hauptdeichlinie besteht nicht“, betonte Behördensprecher Hartmut Kapp. Im Hafen sei die für Donnerstag erwartete Erhöhung des Pegelstandes von etwa einem halben Meter kaum der Rede wert.