Union sagt Nein zum Irakkrieg

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos gibt eine neue Richtung vor: Ein Angriff auf Saddam Hussein sei ein „Abenteuer, an dem wir uns nicht beteiligen wollen“. Der Kanzler sagt das schon ein Weilchen so – möchte es der Kandidat Stoiber ihm nachtun?

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Über Joschka Fischers Eitelkeit lästert Michael Glos oft und mit Freuden. Zur Zeit nennt Edmund Stoibers Statthalter in Berlin den grünen Außenminister spöttisch das beste Beispiel für eine Ich-AG. Umso schmerzlicher dürfte es Glos ankommen, dass ihm die Rolle zufiel, Stoibers jüngsten Kursschwenk zu einer deutschen Beteiligung am Irakkrieg zu verkünden. „Nach dem derzeitigen Kenntnisstand wäre das ein Abenteuer, an dem wir uns nicht beteiligen wollen“, sagte Glos gestern. Bis in die Wortwahl hinein übernimmt die Union damit die Aussagen von Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

Damit die überraschende Botschaft nicht in den medialen Hochwasserfluten untergeht, brachte der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag sie bei zwei Gelegenheiten hintereinander unters Volk: am Donnerstagabend in einer ARD-Diskussionssendung zur Außenpolitik sowie am Freitagmorgen bei seinem traditionellen Weißwurstfrühstück für ausgewählte Berliner Korrespondenten. Auch bei der Begründung griff Glos auf Argumente der Bundesregierung zurück. Wie Fischer nannte der CSU-Abgeordnete als Grund für das Nein zu einer deutschen Beteiligung die fehlenden Konzepte für eine politische Zukunft des Irak nach dem Sturz Saddam Husseins. Die Gefahren, die von Hussein ausgehen, stufte Glos herunter: „Nach Kenntnis des Außenministers gibt es dort keine atomare Bedrohung.“

Im selben Atemzug verkündete Stoibers Vertrauter den Abschied vom bisherigen Mantra der Union, zum Irak solange keine Position zu beziehen, bis die USA konkrete Pläne vorlegen. „Wir haben keinen Grund, dieser Diskussion auszuweichen“, sagte Glos jetzt. Stoibers Außenpolitikexperte, der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, hatte dagegen noch vor zehn Tagen in einem Interview erklärt, wer den Irak zur Zulassung von Waffeninspektoren bewegen wolle, brauche eine glaubwürdige Drohkulisse. Das schließe ein, so Schäuble, „dass jetzt niemand sagt: ‚Wir machen bei einem Einsatz niemals mit.‘“

Ausschlaggebend für die Wende der Union könnte das positive Echo sein, das rot-grüne Wahlkämpfer in den Medien und bei Kundgebungen mit ihrer Ablehnung eines Irakkriegs finden. Bundeskanzler Schröder hatte sich selbst erst unter dem Druck schlechter Umfragen entschieden, seine Skepsis gegenüber den US-Plänen für eine Intervention öffentlich zu machen.

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stießen Glos’ Äußerungen zunächst auf Verwunderung. „Das überrascht mich jetzt schon“, entfuhr es einem Mitarbeiter. Die Linie laute weiterhin: „Wir führen jetzt keine Debatte über einen Angriff auf den Irak – und qualifizieren auch nicht irgendwelche Pläne als Abenteuer.“ Der CSU-Landesgruppenchef hat sich damit einmal mehr in seiner wichtigsten Aufgabe bewährt: Er setzt bei heiklen Themen für Stoiber Akzente – und brüskiert darüber auch mal prominente Kollegen wie Schäuble. Dessen Büro bestritt gestern gegenüber der taz jeden Dissens mit Glos: „Es gibt keine Positionsveränderung.“

Die bayerische Staatskanzlei reagierte auf die Anfrage nach dem aktuellen Irakkurs vorsichtiger. Stoibers Sprecher Wilhelm wollte lieber erst mit seinem Chef Rücksprache halten. Doch der kämpfte gestern an anderen Fronten – gegen das Hochwasser.

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