Ganz in Weiß

„Member of the Oberliga“: Die aufgestiegenen Edel-Kicker von Altona 93 verlieren vor imposanter Kulisse das Derby gegen St. Paulis Amateure mit 0:1

Lange nach dem Spiel standen Fans aus beiden Lagern am noch geöffneten Bierstand und räsonierten das Geschehene. „Normalerweise müssten wir uns jetzt prügeln“, meinte ein Altonaer zu seinem St. Paulianer Gegenüber: „Damit das Rückspiel aus Sicherheitsgründen am Millerntor ausgetragen wird.“ Das erste Wiedersehen in der Fußball-Oberliga nach fünf Jahren Derby-Abstinenz weckte auf beiden Seiten Appetit auf mehr.

1700 Zuschauer hatte die Freitagabend-Begegnung angelockt, die Altona 93 an Bahnhöfen großflächig beworben hatte – pikanterweise dank der Agentur „Nordpol“, die zuvor die „Starclub“-Kampagne für den FC St. Pauli gestaltet hatte, ehe der Kiezclub im Sommer 2001 die Zusammenarbeit beendete.

Den Altonaer Aufsteiger präsentiert „Nordpol“ nun als „Member of the Oberliga“. In edlem Weiß posieren die AFC-Kicker auf fünf Plakatmotiven vor luxuriösen Ambiente, und Mittelfeldspieler Jasmin Bajramovic („Seine Hoheit im Luftraum“) darf vom 3:0 zum Auftakt in Kiel-Altenholz erzählen: „Es ist halt schön, mit einem Sieg nach Altona zurück zu fliegen.“

Beim „gesellschaftlichen Ereignis der Saison“ am Freitagabend wurden die Überflieger sportlich erst mal wieder auf den Boden zurück geholt. Mit schnörkellosem Spiel behielten die Gäste auf dem Platz das bessere Ende für sich. Defensivspieler Dennis Gersdorf köpfte nach 50 Minuten eine Ahrens-Ecke über den AFC-Keeper Maack („Nordpol“-Motto: „Glanzparaden en passant“) zum entscheidenden 1:0 ins Netz.

Nach der unterhaltsamen und temporeichen Partie wollte sich Altona-Trainer Andreas Prohn nicht lange grämen. „St. Pauli war das eine Tor besser“, räumte er ein: „Aber aufgrund ihrer Einstellung kann ich meiner Mannschaft nicht böse sein. Wir haben die Möglichkeiten, mit jedem Gegner gut mitzuhalten.“

Dann statteten die Bedienungen der Pressekonferenz die Tische mit Mineralwasserflaschen aus, und einen kurzen Moment erinnerte man sich an Altonas Ex-Coach Dieter Schatzschneider, der seinem Ex-Mitspieler Manfred Kaltz nachgesagt hatte, der sei nie etwas anderes gewesen als ein Mineralwasserverkäufer. Kaltz jedoch trug im Gegensatz zu den Bedienungen nie ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Lust auf Altona 93“.

Folke Havekost