Trabant und Matolcsi: Boxen, bis es blutet

Universum-Boxprofi Michel Trabant verteidigt in Berlin seinen Europameisterschaftstitel im Weltergewicht gegen den Ungarn Jószef Matolcsi souverän. Obwohl er schwere Gesichtsverletzungen davonträgt. Ein schwerer Leberhaken Trabants sorgt in der fünften Runde für das Ende des Kampfes

von MARKUS VÖLKER

Der erste Blick in den Spiegel hat ihn geschockt. „Ist es das wirklich wert?“, fragte sich Michel Trabant, als er sich nach dem EM-Kampf Samstagnacht erstmals musterte. Seine Lider waren aufgeplatzt, das linke in der ersten Runde nach einer Geraden des Herausforderers Jószef Matolcsi aus Ungarn. Das rechte Lid sprang in der dritten Runde nach einem Kopfstoß des Mannes aus Budapest auf. Blut ergoss sich über beider Körper und legte sich wie eine Schicht Bräunungscreme über Gesicht und Oberkörper. Der Cut-Mann der roten Ecke hatte seine liebe Mühe und Not, die streichholzlangen Risse mit Adrenalin-Creme und Wattestäbchen zu therapieren.

Beide Cut-Verletzungen Trabants mussten genäht werden. Insgesamt neun Stiche setzte der Ringarzt. „Ich glaube, ich muss mich demnächst zum Schönheitschirurgen aufmachen“, sagte Trabant und hatte die Frage nach dem Sinn seines Tuns längst beantwortet. Er ist Profiboxer, schon mit 16 Jahren ist er es geworden, als jüngster Faustkämpfer in Europa. Als Profi ist er auf Zurichtungen dieser Art gefasst. Der 1,73 große Trabant startet im Weltergewicht (bis 66,69 kg) und hat in seinen acht Berufsjahren alle 37 Boxer, die mit ihm in den Ring stiegen, besiegt. Auch Matolcsi ist als Verlierer gegangen. In der fünften Runde beendete Ringrichter Paul Thomas den Kampf nach einem schweren Leberhaken Trabants.

Viele von seinen früheren Gegnern bezeichnet er heute als „Pfeifen“, die gut für die makellose Statistik waren, aber nicht für sein Image als Boxer. Eine neue Qualität deutete sein erster Kampf um die EM vor einem Jahr an, die er sich nach zwölf Runden gegen den Dänen Christian Bladt sicherte. Auch da hatte er mit einem Riss über dem Auge zu kämpfen, ab der zweiten Runde. Den Kampf in Danzig bezeichnet Trabant als den wichtigsten in seiner Karriere. „Hätte ich den verloren, wäre ich weg gewesen vom Fenster, und das zu einem Zeitpunkt, wo gerade das ZDF groß eingestiegen ist.“

Der Sender überträgt mehr als ein Dutzend Veranstaltungen des Universum-Boxstalls pro Jahr und überweist dafür bis 2007 fast 100 Millionen Euro. Die Fülle der Übertragungen und der eklatante Mangel an Stars macht auch einen wie Trabant zum Hauptkämpfer. Das Publikum möchte lieber Schwergewichtsboxer sehen vom Schlage der Klitschko-Brüder, die mit ihrer enormen Schlagkraft für spektakuläre Knockouts sorgen können.

Aber wenn es sein muss, schlüpft auch ein 1,73 Meter großer Boxer, von dem die Welt schrieb, er erinnere in seiner coolen Art an John Wayne kurz nach einem Revolverduell, in die Rolle des Topacts. Promotor Klaus-Peter Kohl hält ihn auf dieser Position für eine gute Besetzung. Kohl sagte, Trabant hätte mit der erstmaligen Titelverteidigung sein „Meisterstück“ abgeliefert. „Er hat nach den Cuts nicht viel im Gesicht herumgewischt, er hat das gemacht, was man in so einer Situation machen muss: den Kampf vorzeitig beenden.“ Trabants Trainer Torsten Schmitz sagte: „Trabi hat sich in den Pausen hingesetzt, hat keinen Ton gesagt und ist softe geblieben, wie wir sagen.“ Softe, das heißt: Er ist nicht hektisch geworden. Der Angst vor einem vorzeitigen Verletzungs-Aus ist er nicht mit unkontrollierten Angriffen begegnet, sondern blieb seiner Linie treu. Es spricht für die psychische Stärke Trabants, der in Prenzlauer Berg aufgewachsen ist, dass er trotz der Blutströme, die ihm über die Wangen rannen, die volle Konzentration bewahrte.

„Ich hab zwar manchmal nichts mehr gesehen“, sagte Trabant, „aber ich bin weiter nach vorn gegangen. Wenngleich ich nicht gleich alles auf eine Karte setzen wollte, denn dafür bin ich boxerisch viel zu gut.“ In der fünften Runde setzte ein Treffer auf die Milz Matolcsi außer Gefecht. Er blieb aber auf den Beinen und konnte deswegen nicht angezählt werden – so besagen es die Regeln des europäischen Verbands EBU. Sekunden später folgte der Leberhaken. „Es war Unwissenheit“, sagte Matolcsis Trainer Miklos Somlai, „er hätte zu Boden gehen müssen, dort hätte er sich erholt.“

Mit einem WM-Kampf hat Trabant „keine Eile“. Vielleicht ergibt sich etwas im nächsten Jahr. Jetzt möchte er seine Wunden kurieren. Auch die linke Hand ist angeschlagen. „Ich habe die Schnauze voll vom Boxen“, sagte er in der späten Nacht. Trabant wird sich ab heute in sein Haus in Beelitz zurückziehen, Eisbeutel auf sein zerschundenes Gesicht drücken und jeden überflüssigen Blick in den Spiegel vermeiden.