: Star ist nicht die Mannschaft
Beim Supercup scheitert die deutsche Basketball-Nationalmannschaft knapp am Turniersieger Jugoslawien und NBA-Koryphäe Dirk Nowitzki versucht, sein Wurfhändchen im WM-Form zu bringen
aus Braunschweig MATTI LIESKE
Es war fast so etwas wie Erleichterung zu spüren im deutschen Basketball-Team, als Dirk Nowitzki beim Supercup im Spiel gegen Neuseeland nicht so gut den Korb getroffen hatte, wie man es von dem Wurfgenie der Dallas Mavericks eigentlich gewohnt ist. „Man hat gesehen, dass wir kein Einmannteam sind“, frohlockte zum Beispiel Center Patrick Femerling, der mit einer starken Leistung dazu beigetragen hatte, dass die Partie gegen Ozeaniens unorthodox spielenden WM-Vertreter trotzdem mit 83:74 gewonnen wurde. Und Bundestrainer Henrik Dettmann riet den Journalisten genüsslich, wenn sie sich anschließend ein Bier genehmigen würden, doch bitte an die zu denken, die außer Nowitzki im Team stehen. „Ohne die kann man nämlich nicht gewinnen.“
Als der deutsche NBA-Star am nächsten Tag gegen Weltmeister Jugoslawien die Bälle jedoch wieder reihenweise auf den Korbrand statt hinein warf, blickte man auf der deutschen Bank schon etwas besorgter drein. Natürlich ist die Mannschaft kein Einmannteam, doch ohne einen starken Nowitzki, das ist allen klar, wird bei der WM, die am 29. August in Indianapolis beginnt, kein Blumentopf zu gewinnen sein. „Er macht den Unterschied“, hatte Dettmann vorher schon zugegeben. Exakt ausgedrückt: Den Unterschied zwischen einem WM-Mitläufer und einem Medaillenanwärter.
Das Beruhigende an der Sache war, dass die Mannschaft trotz Nowitzkis Wurfschwäche insgesamt stark spielte, auch wenn sie durch die 87:88-Niederlage gegen Jugoslawien nach zweimaliger Verlängerung knapp am erstmaligen Gewinn des Supercups vorbeischrammte. Und dass Nowitzki, auch wenn er nicht trifft, mit seiner Reboundstärke und Vielseitigkeit immens wichtig für das Team ist. 15 Rebounds schnappte er sich gegen Neuseeland, 12 gegen Jugoslawien, dazu sammelte er mit Freiwürfen, Korblegern oder Tip-ins immer noch genug Punkte, um zum Topscorer zu avancieren. Und schließlich funktionierte auch sein goldenes Händchen wenigstens einmal, in der Schlusssekunde der regulären Spielzeit gegen Jugoslawien, als er mit einem Dreipunktenotwurf die Verlängerung erzwang.
25 Punkte wies Nowitzkis Bilanz am Ende dieses dramatischen Matches auf, nur einer hatte mehr getroffen. Mit 26 Punkten und 13 Rebounds war es der geschmeidige Predrag Stojakovic, welcher im Team von Svetislav Pesic überragte und irgendwie immer die Nase vorn zu haben scheint, wenn es gegen Nowitzki geht – ob bei der Europameisterschaft, wo er den Titel holte und zum besten Spieler gewählt wurde, beim Dreipunktewettbewerb des All-Star-Games der NBA, in den Play-offs mit Sacramento gegen Dallas und jetzt beim Supercup.
Ob Nowitzki in Indianapolis mal den Spieß umdrehen kann, wird sehr davon abhängen, wie schnell er seine Treffsicherheit wiederfindet. Auch wenn das böse Wort vom Einmannteam nicht gut gelitten ist im deutschen Lager, wurde in Braunschweig deutlich, wie schnell sich Verunsicherung ausbreitet, wenn es beim Go-to-guy nicht läuft. Mitspieler wie Demirel, Nikagbatse oder Marko Pesic wissen nicht mehr recht, ob sie ihm dennoch den Ball geben sollen, werden zögerlich oder versuchen lieber etwas auf eigene Faust. Eine Tendenz, die auch mit dem Auftreten Nowitzkis im Team zusammenhängt. Jedes Superstargehabe ist dem 24-Jährigen fremd, alle Mitspieler betonen, wie wenig ihn Weltruhm und Reichtum verändert hätten. Das fördert den Teamgeist, die Kehrseite ist jedoch, dass der Star manchmal in der Mannschaft untergeht. Große Spieler erkennt man jedoch auch daran, dass sie selbst an schlechten Tagen in der Lage sind, entscheidende Dinge zu tun. „Solche Spiele muss man gewinnen“, schimpfte Henrik Dettmann nach der Niederlage gegen die längst noch nicht in Topform auftretenden Jugoslawen und rügte, dass man nicht durch Fehlwürfe, sondern durch Ballverluste verloren habe. Sprich: die Kugel nicht in Nowitzkis Hände brachte.
Jugoslawiens Chefcoach Svetislav Pesic war dennoch angetan vom deutschen Team. „Es ist Selbstvertrauen in der Mannschaft, sie will gewinnen“, lobte er. Bei der Weltmeisterschaft würde sie bestimmt noch besser spielen und könnte einiges erreichen. Aber, warnt Pesic, „die Konkurrenz ist sehr groß.“
Das wegweisende Spiel steht den Deutschen gleich am ersten WM-Tag gegen China bevor. Wenn man davon ausgeht, dass beide später gegen Algerien gewinnen und gegen die USA verlieren, die diesmal zwar keine Superstars, aber ein solides Team aus erstklassigen NBA-Leuten aufbieten, entscheidet sich der Einzug in die Zwischenrunde bereits in dieser Partie. Bis dahin gebe es noch viel zu verbessern, erklärte Henrik Dettmann und verriet auf Nachfrage auch, was das genau sei: „Defense, Rebound, Fast Break, Half-Court-Offense.“ Immerhin: „Der Teamgeist ist gut.“ Mit und ohne One-Man-Show.
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