In Zukunft Kampf ums Kleingedruckte

Tagung des Lesben- und Schwulenverbands: Ein Jahr Lebenspartnerschaftsgesetz – wie weiter? Falls die Unionsparteien Verhandlungen ums Ergänzungsgesetz weiter sabotieren, will der Verband Musterklagen unterstützen

BERLIN taz ■ Die Freude war unverhohlen. „Stoibers Kreuzzug ist gescheitert“, sagte Günter Dworek – und erntete Beifall im Rathaus Schöneberg, wo auf Einladung des Bundesfamilienministeriums und des Berliner Bezirks Schöneberg am Wochenende 150 Männer und Frauen zur Bundesfachtagung „Ein Jahr Lebenspartnerschaftsgesetz“ zusammengekommen waren.

Dworek, Homoreferent der grünen Bundestagsfraktion und Stratege des Homoehenprojekts, seit es vor zehn Jahren erstmals formuliert wurde, machte wie alle anderen einen immer noch zutiefst angenehm überraschten, fast verdatterten Eindruck. Einen Monat, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Normenkontrollklage der Unionsländer Bayern, Sachsen und Thüringen gegen die Homoehe abschmettert hat, herrscht immer noch eine Stimmung des Unglaublichen über das, was höchstrichtlich verkündet wurde. „Früher fand Karlsruhe die Ansprüche von Schwulen, die Opfer des Nationalsozialismus geworden waren, ganz und gar abwegig – und jetzt das: ein positives Gesetz für Homoexuelle“, sagte ein Teilnehmer aus Köln. Gerhard Robbers, Prozessvertreter der Bundesregierung und Rechtsprofessor in Trier, sagte: „Stoibers Rohrkrepierer.“

Der frühere Bundesanwalt Manfred Bruns beschrieb die Folgen des Spruchs kühl so: „Vor Jahren konnte man in juristischen Fachzeitschriften schreiben, dass man Rechte für Homosexuelle brauche“, niemand aus dem juristischen Establishment habe sich überhaupt auf dieses Thema einlassen wollen, „das war zu schmuddelig“. Und jetzt könnten alle Grundgesetzkommentare, die die klassische Ehe als naturgegeben einzig schutzwürdig verhandelten, „homosexuelle Lebenswirklichkeiten nicht einmal zur Kenntnis nehmen gewillt waren, in die Tonne getreten werden“.

Und ebendies wurde gefeiert: Dass der Kampf sich gelohnt hat – auch in die SPD hinein. Deshalb bekam Familienministerin Christine Bergmann ihren Beifall –, nicht allein für ihr Grußwort und halbstündige Präsenz, sondern gleichfalls für ihren Einsatz in den rot-grünen Verhandlungen auch gegen Otto Schily und Hertha Däubler-Gmelin.

Ein wenig litt die Tagung freilich unter einer gewissen Gegnerlosigkeit, wofür der LSVD nun am wenigsten konnte. Bei der abendlichen Podiumsveranstaltung mit Politikern waren für SPD und Grüne Bundestagsabgeordnete zugegen – für PDS, Union und FDP freilich nur Personal der Dritten Bundesliga (Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses beziehungsweise die Wahlkampfmanagerin der PDS). Vielleicht beginnen jene Parteien erst jetzt, nach dem Karlsruher Urteil, zu begreifen, was sie an der juristischen Moderne und an der Stimmung im Volk wahrzunehmen versäumt haben.

Der Rest war Vorbereitung für die Kämpfe im Kleingedruckten: Wie verhindert man Diskriminierung überhaupt? Warum heißt es Verpartnerung und nicht Heirat? Wie setzt man überall durch, auf dem Standesamt verheiratet zu werden? Weshalb ist noch keine Adoption möglich, zumindest die von Stiefkindern? Wann darf mit Verhandlungen des Ergänzungsgesetzes (erb- und steuerrechtlicher Ausgleich für die finanziellen Verpflichtungen, die im Kerngesetz enthalten sind) gerechnet werden – das der Bundestag verabschiedete, aber der schwarz-gelbe Bundesrat weiterhin blockiert?

Jurist Robbers wollte von einem Gerücht gehört haben, dass Karlsruhe momentan keine Lust auf Musterklagen habe – man sei in der Auffassung zum Art. 6 so weit gegangen, dass deren Inhalt von der Gesellschaft erst mal verdaut werden müsse.

Manfred Bruns: „Der Kampf geht weiter. Das muss man einfach mal sagen. Es lohnt sich ja.“

JAN FEDDERSEN