„Dunkle Gestalten“

Ein Dombesuch endet für eine Gruppe Schwarzafrikaner in einer Polizeizelle. Die Betroffenen beteuern ihre Unschuld, die Polizei wirft ihnen Körperverletzung und Urkundenfälschung vor

von Kai von Appen

Schwarzafrikaner geraten unter Schwarz-Schill immer schneller ins Visier der Polizei – selbst auf dem Hamburger Dom. Als Flüchtling Gogo M. – der 25-Jährige lebt eigentlich in Italien – am 8. August zusammen mit anderen afrikanischen Freunden aus Hamburg das Volksfest besuchte, endete der Abend für ihn in einer Polizeizelle. Die Hintergründe sind unklar – Gogo M. und die Polizei haben zwei vollkommen unterschiedliche Versionen, und die Bild-Zeitung eine dritte.

Es begann am Autoscooter. Nach eigenen Angaben wollte Gogo M. sich einen Chip für die Fahrt besorgen. Da er sich nicht ordnungsgemäß angestellt und nur italienisch gesprochen hatte, sei er von der Kassiererin barsch zurückgewiesen worden. M. reagierte verärgert. Wenig später sei von einem Mann zu Boden gerissen worden. Wieder etwas aufgerappelt, habe er geschimpft, woraufhin er von einem anderen Unbekannten gepackt worden sei, der ihm die Arme umgedreht habe. Er sei wieder zu Boden gegangen; beide Männer – wie sich später herausstellte, Zivilfahnder – hätten sich auf ihn gesetzt. M.‘s Freunde Droh Mohamed K. und Teho G. hätten verbal eingegriffen, wollten übersetzen. Plötzlich tauchten zwei Polizisten in Uniform auf und legten M. Handschellen an.

Der 25-Jährige wurde zur Domwache gebracht. In der Zwischenzeit hatten die Jugendlichen ihre Freunde informiert, die sich vor der Wache versammelten. Dort wurde auch Teho G. von einem Zivilfahnder angesprochen. Da er seinen Pass vergessen hatte, zeigte er seinen italienischen Personalausweis vor. G. wurde mit in die Wache genommen, fotografiert und wenige Minuten später festgenommen: Ein Zeuge habe ihn identifiziert und beschuldigt, einen Jugendlichen geschlagen zu haben. Da G. nicht in die Zelle gehen wollte, sei er „geschubst“ worden. „Ich schlug mit dem Kopf gegen die Wand, so dass sich an der Stirn eine Beule bildete. Dann haben sie mich in die Zelle gestoßen. “

Mittlerweile hatte G.‘s Freund Alasane K. seinen Pass geholt. Als er ihn gemeinsam mit Freunden in der Wache vorlegen will, so seine Schilderung, habe die Polizei zunächst versucht, alle aus der Wache zu drängen. Dann „haben sie mich mit dem Oberkörper auf den Tisch geworfen und mir Handschellen angelegt“. Zwei weitere Freunde seien ebenfalls von der Polizei festgenommen worden. G. und M. werden zur erkennungsdienstlichen Behandlung ins Präsidium gebracht und bis zum nächsten Mittag in die Zelle gesteckt.

Die Polizei nennt als Festnahmegrund für Gogo M. Körperverletzung. Er soll einen Jugendlichen geschlagen haben. Als die Beamten ihn mit zur Wache nehmen wollten, so Polizeisprecher Ralf Kunz, habe sich M. „renitent“ verhalten. Beim Versuch, ihm Handfesseln anzulegen, seien „alle zu Boden gegangen“ Dabei habe M. einem Beamten in den Unterarm gebissen. Bei der Personalienüberprüfung auf der Domwache habe man schließlich bei ihm eine „gefälschte Identitätskarte“ entdeckt.

Inzwischen hätten sich Freunde des Mannes vor der Wache versammelt. Kunz: „Sie haben durch laute Rufe den Betrieb gestört.“ Deshalb sei die Polizei abermals eingeschritten und habe vier Personen vorübergehend festgommen. Dabei sei G. der italienische Pass abgenommen worden. „Es wurden Fälschungsmerkmale festgestellt“, sagt Kunz. Gegen M. und G. ist Strafantrag wegen Widerstand, Körperverletzung und Urkundenfälschung gestellt worden.

Die Bild-Zeitung – rein zufälligerweise bei der Aktion vor Ort – schildert ihre eigene Geschichte unter Berufung auf den Scooter-Betreiber. Danach gebe es einen „Dealerkrieg“ zwischen türkischen und afrikanischen Jugendlichen. „Jeder kennt sie: dunkle Gestalten“, die an den Autoscootern „herumlungern“, so die Bild. Der „Kampf“ sei nun mit der „Schlacht um die Domwache“ von der Polizei beendet worden.

Licht in das Dunkel versucht nun Rechtsanwalt Dieter Magsam zu bringen. Er hat die Vertretung von G. und M. übernommen. Ihre Papiere haben die beiden bislang nicht wiederbekommen, heute sollen sie in der Ausländerbehörde vorsprechen. Eigentlich müssten beide morgen wieder in Italien zur Arbeit und zur Schule erscheinen.