„Mit Skepsis muss ich leben“

Ein Mann als Frauensenator? Harald Wolf (PDS) folgt auch in dieser Rolle Gregor Gysi nach. Und sieht darin eine Chance, das Bewusstsein für Fraueninteressen zu schärfen – bei den Berliner Männern

Interview ROBIN ALEXANDER
und ANETT KELLER

taz: Herr Wolf, Sie werden von Gregor Gysi nicht nur Amt und Würden erben, sondern auch noch eine kleine Extravaganz: Sie werden Senator für Frauen – als Mann.

Harald Wolf: Dies ergibt sich aus dem Ressort Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Und dieser Zuschnitt war von der PDS durchaus politisch gewollt. Wir wollen Gleichstellung und Chancengerechtigkeit gerade im Bereich der Arbeit und Wirtschaft durchzusetzen. In meinen Augen ist eine eigene existenzsichernde Erwerbstätigkeit zentral für die weibliche Unabhängigkeit.

Liegen Feministinnen falsch, wenn sie meinen, nur Frauen könnten Fraueninteressen vertreten?

Das will ich jetzt nicht beurteilen. Ich habe aber vor, diesen Ressortzuschnitt ernst zu nehmen. Ich lege großen Wert darauf, dass es um drei Ressorts geht. Das Frauenressort ist kein Appendix. Ich halte es für eine wichtige Aufgabe, das Bewusstsein für Fraueninteressen zu schärfen – gerade bei Männern. Vielleicht kann ich hier tatsächlich eine nützliche Rolle übernehmen.

Warum sprechen viele Feministinnen Ihnen persönlich die Kompetenz für diese Aufgabe ab?

Mit mir als Person hat das, glaube ich, weniger zu tun. Der Gedanke an einen Mann als Frauensenator ist eben gewöhnungsbedürftig und stößt aus nachvollziehbaren Gründen erst einmal auf Kritik. Ich muss mit dieser Skepsis leben. Genau wie im Wirtschaftsbereich werde ich versuchen, durch meine Arbeit zu überzeugen.

Wir möchten noch einmal nachfragen: Was qualifiziert Sie persönlich für das Amt des Frauensenators?

Mich qualifiziert, dass ich das Thema ernst nehme. Dies ist ein Zukunftsthema gesellschaftlicher Entwicklung. Und in Themen, die ich für wichtig halte, da knie ich mich rein.

Gregor Gysi wies bei solchen Fragen auf seine Rolle als allein erziehender Vater hin.

Eine spezifische persönliche Lebenslage reicht als Qualifikation nicht aus. Die politische Auseinandersetzung ist viel wichtiger.

Was macht ein Frauensenator genau?

Gender-Mainstreaming darf nicht nur im Frauenressort abgehandelt werden, sondern muss sich quer durch alle Politik ziehen. Dafür richten wir gerade eine Geschäftsstelle ein. Jede Verwaltung muss Pilotprojekte entwickeln. Frauenförderpläne, Arbeitszeitmodelle und auch die Frage männlicher Verantwortung für häusliche Arbeit müssen stärker in die gesellschaftliche Debatte.

Wie ist denn die Hausarbeit bei Wolfs verteilt?

Wir versuchen eine gleichmäßige Teilung – mit mäßigem Erfolg. Außerdem hat meine Lebensgefährtin ein Unternehmen für haushaltsbezogene Dienstleistungen. Die kommen einmal pro Woche auch bei uns vorbei.

Beim Arbeitssenator putzen zu Hause ABM-Kräfte?

Aber nein! Ich möchte das ganz klar machen: Es handelt sich um ein Unternehmen im ersten Arbeitsmarkt. Also tariflich entlohnte, feste Angestellte.

Die Kombination Wirtschaft/Arbeit/Frauen erinnert an die alte DDR-Politik, die Geschlechterfrage der Ökonomie unterzuordnen.

Nein: Mit Unterordnung hat das nichts zu tun. Aber wer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern erreichen will, muss sie in den harten Bereichen der Arbeitswelt und der Wirtschaft durchsetzen. Daran können wir nicht vorbeigehen.

Kann die Linke im Westen in Sachen Frauenpolitik von den DDR-Erfahrungen profitieren?

Das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf war in der DDR weitgehend gelöst. Ganz im Gegensatz zur Frage der häuslichen Arbeitsteilung. Hier wirkten noch ältere kulturelle Muster und Einstellungen.

Auch heute sind wir weit von der Vereinbarkeit von Kind und Karriere entfernt.

Es hat in den letzten dreißig Jahren erhebliche Veränderungen gegeben. Die feministische Diskussion hat kulturelle Einstellungsmuster wesentlich verändert, weil sie das Thema öffentlich gemacht hat. Die Frage des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz hätte es etwa 1970 so noch nicht gegeben. Aber die Erfolge der feministischen Bewegung sind noch längst nicht hinreichend.

Sie haben 1989 den rot-grünen Senat mit verhandelt, in dem mehr Frauen als Männer saßen. Im amtierenden rot-roten Senat gibt es ganze zwei Frauen.

Das ist nicht gut so.

Ähnliches gilt für Ihre Partei. Die Berliner PDS präsentiert sich im Bundestagswahlkampf mit fünf jungen Frauen. Aber nach innen haben die Herren Wolf und Liebich das Sagen.

In der Tat gelten nach außen Wolf und Liebich als die starken Männer. Das Gesamttableau sieht aber anders aus: Wir stellen in Friedrichshain-Kreuzberg die Bezirksbürgermeisterin. Wir haben erfolgreiche Stadträtinnen. Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Carola Freundl und Marion Seelig haben sich einen Namen gemacht. Den Vergleich mit irgendeiner anderen Partei brauchen wir nicht zu scheuen.

Verhalten sich Frauen in der Politik anders als Männer?

Meiner Erfahrung nach verhalten sich Männer und Frauen individuell verschieden.

Wäre eine Frau mit Landowskys Größenwahn in Sachen Bankgesellschaft vorstellbar?

Ich gebe zu, dies ist schwerer vorstellbar. Für ausgeschlossen halte ich es aber nicht. Maggie Thatcher war schließlich auch möglich.

Hätte eine Frau ihren Abgang ähnlich eitel inszeniert wie Gregor Gysi?

Hier bin ich sicher: Eine Frau hätte einen gänzlich anderen Weg des Abgangs gewählt.