Abu Nidal ist tot

Palästinensischer Terroristenchef in Bagdad tot aufgefunden. Er gilt als Verantwortlicher für zahlreiche Anschläge in den 70er- und 80er-Jahren

BERLIN taz ■ In den Achtzigerjahren war er einer der Hauptfeinde der USA, und totgesagt wurde er auch schon öfter. Nun hat der palästinensische Terrorist Abu Nidal offenbar wirklich ins Gras gebissen – und das ausgerechnet im Reiche Saddam Husseins, des heutigen Hauptfeindes der USA. Der „Vater des Kampfes“, so die Übersetzung seines Kriegsnamens, hatte Zuflucht gefunden bei dem irakischen Diktator, der im Krieg 1991 von der „Mutter aller Schlachten“ sprach.

Nach Informationen der palästinensischen Autonomiebehörde wurde Abu Nidal, der eigentlich Sabri Khalil al-Banna hieß, vor drei Tagen tot in seiner Wohnung in Bagdad gefunden – mit Schusswunden. Ob er Selbstmord verübte oder ermordet wurde, war zunächst nicht bekannt. Vor einigen Jahren hieß es, er sei an Leukämie erkrankt, eine mögliche Motivation. Offene Rechnungen aus seiner aktiven Zeit gab es allerdings auch mehr als genug.

In den Siebziger- und Achtzigerjahren galt Abu Nidal als einer der führenden Köpfe im internationalen Terrorismus. Seine Organisation, unter anderem bekannt als Fatah-Revolutionärer Rat, wird für zahllose Anschläge in der ganzen Welt verantwortlich gemacht, bei der hunderte von Menschen ums Leben kamen. Sie entführte Flugzeuge und verübte zahllose Anschläge, die sich häufig gegen gemäßigte Politiker der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) richteten sowie gegen Israelis und Juden in mehreren Ländern. Abu Nidals Truppe soll zwischen 300 und 500 Mitglieder gehabt haben sowie ein Netz von „Schläfern“, unter anderem in Westeuropa, unterhalten haben. In den letzten Jahren hat man von der Gruppe nichts mehr gehört; offenbar haben interne Streitigkeiten und Konflikte mit Gastgeberländern zu ihrem Zerfall beigetragen.

Der Name der Gruppe verweist bereits auf ihre Entstehungsgeschichte. Abu Nidal, der 1937 in Jaffa im damaligen Palästina geboren wurde, stellte in den Sechzigerjahren eine Truppe von zum bewaffneten Kampf entschlossenen Palästinensern zusammen und reihte sich in die neu gebildete al-Fatah des jetzigen palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat ein. Kurze Zeit fungierte Abu Nidal auch als PLO-Botschafter in Bagdad. Doch bald trennten sich die Wege. Anfang der Siebzigerjahre sagte sich Abu Nidal von der PLO los, als diese die Forderung nach der „Befreiung ganz Palästinas“ (also einschließlich des Staates Israel) aufgab. Im Oktober 1974 wurde er wegen angeblichen Betrugs und Unterschlagung von der Fatah in Abwesenheit zu Tode verurteilt. Unterschlupf fand die Gruppe in Ländern wie Irak, Syrien oder Libyen. Anschläge in westeuropäischen Ländern brachten die PLO noch in den Achtzigerjahren in Misskredit, als diese längst die Unterstützung dieser Staaten suchte.

Einer der spektakulärsten Attentate war die Ermordung des PLO-Geheimdienstchefs Abu Ijad und seines Stellvertreters Abul-Hol am Vorabend des zweiten Golfkrieges. Beiden wurde nachgesagt, dass sie der Allianz der PLO mit Saddam Hussein widersprachen. Bereits zuvor waren gezielt PLO-Politiker ermordet worden, die Beziehungen zur israelischen Linken aufnahmen, wie beipielsweise 1983 in Portugal der Arafat-Berater Issam Sartawi.

Auch gegen jüdische Einrichtungen richteten sich Anschläge der Abu-Nidal-Gruppe: 1980 ein Kinderhort in Antwerpen, 1981 eine Synagoge in Wien, 1986 eine Synagoge in Istanbul. 1982 misslang ein Mordanschlag auf den israelischen Botschafter in London, Schlomo Argov. Das war eine der Begründungen für den israelischen Einmarsch im Libanon im selben Jahr.

Angesichts dieser Vita überrascht es wenig, dass Abu Nidal nur sehr selten Interviews gab. In einem, 1985 im Spiegel veröffentlicht, sagt er über sich selbst: „Ich, Abu Nidal, betrachte mich als die Antwort auf die Missgeschicke der Araber.“ BEATE SEEL