Kraftlose Zuversicht

Kein Klima für Leistung: CDU-Chefin Angela Merkel absolviert Pflichtvorstellung auf dem Alsteranleger. Hamburg als „Hauptstadt des Verbrechens“ bezeichnet

So wird das nichts. Saftlos der Oldtime-Jazz zur Einstimmung, kraftlos der Gaststar. Angela Merkels Auftritt vor etwa 800 Anhängern, 100 Polizisten und 20 Zwischenrufern auf dem halb leeren Alsteranleger geriet am Montagabend zur lustlos abgespulten Pflichtaufgabe. Siegeszuversicht versprühten weder die CDU-Vorsitzende noch ihr Publikum, sie beschworen sie allenfalls.

Zuwanderungspolitik – keine Silbe. EU-Erweiterung und Euro – Fehlanzeige. Deutschlands Rolle in der Welt und gegenüber den USA – der Erwähnung nicht wert. Das mit dem vielen Wasser in der Elbe, das sei „schrecklich“, wiederholte Merkel nur, was Bürgermeister Ole von Beust im Vorprogramm bereits gesagt hatte, auch dass die Opfer „unser aller Solidarität brauchen“. Aber Ökologie? Energiesparen? Wende in der Verkehrspolitik? Klimawandel? Kein Wort von Ex-Kanzler Kohls Ex-Umweltministerin. Wozu auch, verheißt die Union in großen Lettern ja „Zeit für Taten“.

Der Worte, könnte mensch meinen, seien mithin genug gewechselt, doch weit gefehlt. Ein paar mussten es doch sein, und in Sonderheit eines: „Leistung“, vor allem deshalb, weil „die sich wieder lohnen muss“.

Und darum bräuchte das Land und besonders Hamburg wieder „eine anständige Schulpolitik“; darum wolle die Union Familiengeld auszahlen; darum seien 400-Euro-Jobs gut, wohingegen steuerpflichtige 401-Euro-Jobs zur Schwarzarbeit führen würden; darum dürfe es keine Zwei-Klassen-Medizin geben – weshalb deren Erfinder, der Seehofer Horst von der CSU, wieder der Nation oberster Kassenchirurg werden müsse – und darum müsse man bei der Inneren Sicherheit „den Anfängen wehren“ mit „null Toleranz gegen Graffiti, Ladendiebstähle und andere Verbrechen“.

„Sie hier, meine Damen und Herren in Hamburg“, in der „Hauptstadt des Verbrechens“, vermutete die gebürtige Hamburgerin, „Sie wissen, wovon ich da spreche.“ Leider.SVEN-MICHAEL VEIT