american pie
: Der Golfer und die Bilanzfälschung

Blaupause des Lebens

Am letzten Wochenende fand das letzte der vier Major-Turniere der Profigolfer statt. Gewonnen hat die 84. PGA Championships in Chaska/Minnesota überraschend der weithin unbekannte Rich Beem (31), ein früherer Elektronikhändler, mit einem Schlag Vorsprung vor seinem ungleich berühmteren Landsmann Tiger Woods. Ungläubig sagte Beem nach dem letzten Putt eines hoch dramatischen Finals: „Ich muss ausgesehen haben wie ein kompletter Idiot, aber ich hab’s geschafft.“

Wir wollen schwer hoffen, dass Beem seinen Triumph fair, sauber, anständig und ehrenwert erspielt. Jedenfalls ist er nicht beim Mogeln erwischt worden und auch kein anderer der 150 Teilnehmer. Dabei ist Schummeln auf dem Golfplatz so verbreitet wie der Putt, der daneben geht. Zumindest bei Hobbyspielern und Amateuren. Auch wenn die meisten stets mit treuherzigem Augenaufschlag sagen: Ich? Betrügen? Schummeln? Niemals! Also wirklich! Das ist doch gegen den heiligen Geist des Spiels. Und dann legen sie den Ball, wenn versunken in tiefem Rough, gern unbemerkt ein bisschen besser oder tauschen das Spielzeug mit flinker Hand sogar aus: „Da ist er ja, mein Ball.“

Fragt man anonym, sieht das Ergebnis anders aus: 82 Prozent aller golfenden US-Manager haben sich jetzt zur Sünde bekannt. Regelmäßig vergehen sie sich am Spiel: Durch heimliches Besserlegen, demenzartiges Vergessen des letzten Putts und somit manchem Schlag weniger auf der Scorekarte. Und noch etwas kommt durch die Umfrage der New Yorker Firma Guideline Research ans Tageslicht: Man macht die Augen zu, wenn das Gesamtergebnis des anderen etwas frisiert wird. Motto: Ein bisschen Rabatt bei deinem Score, ein bisschen Rabatt bei unserem anvisierten Deal. Golf als Blaupause des Lebens: 86 Prozent der 400 befragten Führungskräfte gaben an, auch im Geschäftsleben gelegentlich zu mogeln. Ein erfrischend ehrliches Bekenntnis. Die verbliebenen 14 Prozent haben vermutlich bei der Antwort geschummelt.

Drei Viertel der Befragten glauben übrigens, dass Golf den wahren Charakter eines Menschen offenbart. Keine Überraschung: Eine Scorekarte ist die Bilanz einer Runde. Und Bilanzfälschung gehört nicht erst seit den jüngsten Börsenskandalen in den USA zum Wesen des managenden Menschen. Die Golfprofis, bei denen Sport und Business ein und dasselbe sind, haben es allerdings erheblich schwerer, weil sie immer von so vielen Zuschauern begleitet werden. Die heißen fälschlicherweise Fans und Bewunderer. Dabei sind sie in Massen auftretende Controller. Vielleicht sollte man den Führungskräften im Geschäftsleben auch immer eine Hundertschaft von Gaffern zur Seite stellen.

Immerhin ist Bilanzfälschung auch bei Profis aktenkundig: Der Ire Padraig Harrington hat mal vergessen, seine Scorekarte zu unterschreiben; darauf wurde ihm der Sieg eines großen Turniers aberkannt. Und im Mai noch schrieb sich ein Engländer bei den German Open in St. Leon-Rot versehentlich ein Loch falsch auf und wurde komplett disqualifiziert. Wie es vor sieben Jahren in jener Firma in Seattle aussah, wo der PGA-Sensationstriumphator Rich Beem noch für sieben Dollar Stundenlohn Autoradios und Mobiltelefone verkaufte, können wir nur vermuten. Vielleicht verdankt er seinen Aufstieg zum Pro winzigen Manipulationen auf der Scorekarte.

BERND MÜLLENDER