Begegnungen

Brahms beim SHMF: Statt des Spanischen Nationalorchesters spielt die Dresdner Philharmonie

Es hätte eine reizvolle Begegnung werden sollen: Das Spanische Nationalorchester spielt Johannes Brahms, und Dirigent ist eine der interessantesten Musikerpersönlichkeiten der iberischen Halbinsel, Rafael Frühbeck de Burgos. Brahms‘ 1. Sinfonie in der Nachfolge Beethovens wäre an diesem Abend auf eine Orchestertradition der klanglichen Luzidität und Sinnlichkeit getroffen. Des Komponisten Kombination aus klassischem Formbewusstsein und romantischer Emphase dürfte für das spanische Orchester wohl eine besondere Herausforderung sein. Und für das hiesige Publikum sollte es besonders interessant sein, zu erleben, wie diese regelmäßigen Konzertbesuchern wohlvertraute Sinfonie von dem hanseatischen Wiener in einer solchen Interpretation klingen mag.

Schon das, wie gesagt, versprach einen spannenden Abend. Einzig: nach einer Absage aufgrund von Tarifstreitigkeiten wurde das Orquesta Nacional de España kurzfristig durch die Dresdner Philharmonie ersetzt. Ebenfalls eine Änderung gab es bei den Solisten: Die Flamencosängerin Mayte Martín springt für Esperanza Fernández ein, die aus gesundheitlichen Gründen absagen musste.

Gleichwohl: Dirigent Rafael Frühbeck de Burgos ist ein Mann, dem es immer wieder gelungen ist, unterstellt spanische Klangsinnlichkeit mit den Anforderungen mitteleuropäischer Musik in seinen Interpretationen in eine überzeugende Balance zu bringen, und so darf man trotz Umbesetzung mit großen Erwartungen in dieses Konzert gehen. Am Sonnabend in Lübeck und tags darauf in Hamburg wird diese musikalische Begegnung zu erleben sein. Da wird der Spanien-Schwerpunkt des diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) vielleicht nochmal zum klanglichen Ereignis.

Als spanische Klangfarbe hat der frühere Chefdirigent und heutige Ehrendirigent des Madrider Orchesters noch Werke von Joaquin Turin und Manuel de Falla ausgewählt: neben Turins Danzas Fantasticas das bekannteste Werk de Fallas, El Amor brujo, ein außerordentlich brillant instrumentiertes Werk, das durch diverse Tanzfassungen auch in Deutschland große Beliebtheit errungen hat.

De Fallas in Rhythmus und Klangfarbensensibilität höchste Anforderungen stellendes Werk wäre dem spanischen Nationalorchester möglicherweise auf den Leib geschrieben. Nun wird es, wie auch Turinas hörbar folkloristisch angehauchte, beinahe reißerische Tänze, eben den Fähigkeiten und dem Temperament der Dresdner Musiker zur Herausforderung.

Reinald Hanke

Sonnabend, 20 Uhr, Musik- und Kongresshalle Lübeck; Sonntag, 20 Uhr, Musikhalle Hamburg