sommerkrimi

Folge 29

Wieder blickte Lund in die Runde, erntete aber nur müde Gesten, ohne weitere Kommentare. Pieter Lund klatschte überaschend in die Hände.

„He, he ... ist ja schon gut! Wenn ich schlafen würde, könntest du das Schnarchen ganz sicher nicht überhören!“

Atze Wendt richtete sich mürrisch auf, griff demonstrativ nach seinem Notizblock. Pieter Lund grinste schadenfroh.

„Ich wollte nur, das dir nicht durch die Lappen geht, was gestern über die Ermittlung Novitzki besprochen wurde.“

„Na, denn schieß mal los, Herr Ermittlungsleiter!“

Wendt drückte mit übertriebener Geste die Miene aus seinem Kugelschreiber und zog die Augenbrauen hoch.

„Ich habe gestern telefonisch mit einem FBI-Experten gesprochen, Willi Daplano ist sein Name. Der Mann wird in den nächsten Tagen an der Spitze einer FBI-Arbeitsgruppe in Hamburg eintreffen und die Anti-Terror Ermittlungen koordinieren. Wie weit seid ihr gestern da noch instruiert worden?“ Lund blickte fragend in die Runde. „Ich habe nur gehört, dass sich einige der Attentäter eine Zeitlang in Hamburg aufgehalten haben sollen, aber was hat das mit der Sache Novitzki zu tun?“

Larissa Lehmann rückte im Stuhl vor und schaute Lund fragend an.

„Es gibt im FBI schon seit längerem die Vermutung, dass hinter einigen auffälligen Veränderungen im internationalen Drogengeschäft möglicherweise die Al-Kaida Organisation stecken könnte. Zieht man jetzt in Betracht, dass keiner der observierten Drogen-Kuriere nach dem 11. September noch einmal in seiner Wohnung aufgetaucht ist, abgesehen von dem toten Novitzki, so liegt die Vermutung nahe, dass Novitzki, und mit ihm möglicherweise noch andere Nicht-Araber irgendwie mit dem Al-Kaida Netzwerk in Verbindung stehen könnten.“

„Wenn ich dich richtig verstehe, soll hier der vorläufige Ermittlungs-Schwerpunkt liegen, richtig?“

Pieter Lund nickte Larissa Lehman zu. „Ganz genau. Noch eines ist in diesem Zusammenhang wichtig: es liegen Insider-Informationen vor, nach denen die üblichen Drogen-Addressen der Stadt offenbar nichts mit der von uns observierten Sendung zu tun hatten.“

„Eines kann ich durch meine gelegentlichen Ausflüge in die Drogenfahndung bestätigen: Die Mafia und ihr russisches Pendant um diesem Wassili Dembinski haben eine andere Handschrift.“ Atze Wendt kratzte sich nachdenklich an der Schläfe. Alle schwiegen eine kurze Weile. Schließlich räusperte sich Lund kurz und berichtete dann von seinem Gespräch mit Heinz Bäuerl. Offensichtlich eine Sackgasse, darin waren sie sich sofort einig.

„Atze, was wissen wir über Novitzkis Berufsleben?“

Atze Wendt kratzte sich mit dem Bleistift am Hinterkopf und blätterte seinen Notizblock eine Seite zurück.

„Der Mann war Sozialarbeiter. Arbeitete lange Jahre in Vollheimen, dann in Mümmelmannsberg als Streetworker. Vor drei Jahren ließ er sich für ein Jahr beurlauben, wollte eine Asien-Reise machen. Anschließend trat er den Dienst am alten Arbeitsplatz nicht mehr an, stattdessen Wechsel in einen spezielleren Bereich der sogenannten Erlebnispädagogik. Seit zwei Jahren ist er bei einer Organisation, die sich die Kleine Flatter nennt. Den Vorsitzenden macht dieser Reformfritze von der Hamburger Uni, Professor Johannes Wellmann. Ist andauernd in den Medien. Der Verein organisiert für straffällige Jugendliche und solche, die man als schwer erziehbar oder schwer sozial integrierbar einstuft, längerfristige, erlebnisorientierte Resozialisierungs-Maßnahmen im Ausland. Gerd Novitzki war für die Kleine Flatter – und jetzt alle mal herhören – im letzten Jahr auf Mallorca. In Hamburg wollte er lediglich seinen Jahresurlaub verbringen. Am 27. August hatte er Mallorca verlassen, am 22. September sollte er wieder zurück sein. Er hätte also durchaus die Karte von dem Bäuerl stehlen oder finden können, was weiß ich.“

Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman, erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus