Happy mit Hippy

Mama ist die erste Lehrerin. Seit zehn Jahren bereiten auch in Bremen Migranten-Mütter ihre Kinder auf die Schule vor. Heute zeichnet Bundespräsident Rau „Hippy“ aus

Myzzeyen Kösacöik nimmt eine Karte vom Stapel. „Das ist ein Pferd“, sagt sie und zeigt sie ihrer fünfjährigen Tochter Nida. Dann zieht die Türkin eine neue Karte, diesmal mit einem Haus drauf: „Und das ist ein Haus.“ Nida schaut konzentriert zu, denn sie weiß, dass sie gleich an der Reihe sein wird, Karten zu ziehen und Gegenstände zu benennen.

Myzzeyen ist eine von insgesamt 90 Migranten-Müttern, die am Bremer „Hippy“-Programm teilnehmen. „Hippy“ hat nichts mit dem Spitznamen des Bremer taz-Kolumnisten Wilfried Hippen zu tun, sondern steht für „Home Instruction Program for Preschool Youngsters“ und richtet sich an Zuwandererfamilien mit Kindern im Vorschulalter.

Sechs „Hippy“-Mitarbeiterinnen schwärmen derzeit aus, um die teilnehmenden türkischen und russischen Mütter 18 Monate lang alle zwei Wochen zu besuchen. Im Gepäck haben sie so genannte „Aktivitätshefte“. Darin wird den Müttern gezeigt, wie sie mit einfachsten Übungen die sprachlichen Fähigkeiten, die Wahrnehmungs- und Unterscheidungsfähigkeiten und das logische Denken ihrer Kleinen schulen können. Auf Deutsch, versteht sich.

Die Aufgaben sind so simpel wie lebensnotwendig. Zum Beispiel: Arme hoch, Arme runter, vorne, hinten, rechts, links – die Mama macht es vor, die Kleinen müssen’s nur nachturnen.

Zunächst lernt aber die Mutter von der „Hippy“-Hausbesucherin. Und das geht so: Die Rollen werden getauscht. Dafür spielt die Mitarbeiterin die Mutter, die Mutti das Kind. Meist stammen beide aus dem gleichen Kulturkreis.

„Das Ziel von Hippy ist es, die Integration von Migrantenkindern zu fördern und das Mutter-Kind-Verhältnis zu stärken“, sagt Nevriye Kayis, eine Leiterin des Projektes. „Die Mütter lernen ihr Kind und seine Fähigkeiten kennen. So können sie es später in der Schule besser unterstützen.“

Nevriye Kayis ist selber Türkin. Als die Psychologin vor 22 Jahren nach Deutschland kam, hatte auch sie Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache – und der neuen Umgebung. „Ich kann mich deshalb gut in die Rolle der ausländischen Frauen versetzen“, sagt die 43-Jährige, die schon seit sieben Jahren bei „Hippy“ mitarbeitet.

„Hippy“ wurde vor rund 30 Jahren von einer Pädagogin in Israel entwickelt. Der Bedarf für ein solches Programm war groß im Einwanderungsland, denn viele Kinder aus verschiedenen Nationen mussten in das israelische Schulsystem integriert werden. Bald wurde das Projekt auch in den USA, Mexico und Holland eingeführt, nach Deutschland macht „Hippy“ seit rund zehn Jahren happy – die ersten Städte waren Bremen und Nürnberg.

„Die Zahl der Anmeldungen steigt ständig“, sagt Kayis. Immer mehr Mütter möchten teilnehmen – das vom Deutschen Kreuz Bremen getragene Projekt hat sich offenbar gut entwickelt. Ein Grund dafür dürfte auch der Preis sein: sechs Euro pro Monat.

Als Folge der Pisa-Studie wollen die „Hippy“-Frauen das Programm in Zukunft auch für deutsche Mütter und Kinder anbieten. Das heißt auch mehr Personal – doch genau hier liegt die Crux, da Senatorin Karin Röpke (SPD) die Personalkosten des Projektes trägt. In der nächsten Woche soll im Bremer Senat über mehr Geld für „Hippy“ abgestimmt werden.

Heute ist aber erst einmal der große Tag für Mitarbeiter in ganz Deutschland. In Berlin wird „Hippy“ von Bundespräsident Johannes Rau höchstpersönlich der „Auf Worte folgen Taten“-Preis für „Deutschlands bestes Integrationsprojekt“ verliehen.

Monika Vosough Mohebbi