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off-kino Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet

Die Ära der Aqua-Musicals, in denen Esther Williams mit wasserfestem Make-Up und unverwüstlichem Lächeln durch die strahlend blauen Unterwasserwelten von MGM planschte, sind ja leider unwiederbringlich vorbei. Einen schwachen Abglanz jener goldenen Zeiten entdeckt der Fan heute nur noch bei Fernsehübertragungen vom Synchronschwimmen. Doch irgendwie haut das mit den Kamerapositionen nie so richtig hin, die Nasenklammern der Schwimmerinnen stören den Gesamteindruck erheblich und in Technicolor ist die Chose auch nicht. Da war die Freude natürlich umso größer, als man in der von Kenneth Branagh als romantische Musikkomödie inszenierten Shakespeare-Adaption „Love’s Labour’s Lost“ eine Sequenz entdecken konnte, die an die feuchten Träume von ehedem anknüpft: Wenn sich die Prinzessin von Frankreich und ihre Hofdamen nach dem Aufstehen ins Bad begeben, dann gilt ihr Bestreben nicht etwa der Reinlichkeit, sondern dem Singen, Plätschern und Figuren-Schwimmen im Pool. Insgesamt orientiert sich der Film jedoch weniger an Showeffekten denn am Konzept des „integrated musical“, das Gesang und Tanz als Ausdruck von Gefühlen der Filmfiguren in die Handlung einbezieht. Branagh hat die selten gespielte Shakespeare-Komödie um den König von Navarra, der sich gemeinsam mit drei Freunden drei Jahre von weiblicher Ablenkung fern halten will und von der Prinzessin und ihren Hofdamen vom Studieren abgelenkt wird, in die Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts verlegt und romantische Musical-Songs aus Hollywoods klassischem Zeitalter in die Handlung eingepasst. Da alle Darsteller selbst singen und tanzen und – mit Ausnahme der Musical-Performer Nathan Lane und Adrian Lester – in diesen Fähigkeiten eher ungeübt sind, enthalten die Musiknummern zwangsläufig einige Limitationen, ohne jedoch zur Parodie zu geraten. Denn die bei Musicals überaus komplexe Beziehung zwischen Choreografie, Kamera und Dekorationen erscheint sorgfältig erarbeitet – ein charmantes Vergnügen auf hohem technischem Niveau.

„Love’s Labour’s Lost“, 25. 8. – 26. 8. im Filmkunsthaus Babylon 1

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Wären nur alle untalentierten Maler so einsichtig: Richard bastelt jedenfalls aus seinen Gemälden eine Flugmaschine und stürzt sich von einem öffentlichen Gebäude in die Tiefe. So richtig tief geht der Fall dann allerdings doch nicht – zur Strafe bekommt er einige Stunden Sozialarbeit aufgebrummt. Dabei lernt Richard (Kenneth Branagh) Jane (Helena Bonham Carter) kennen, eine ziemlich widerspenstige junge Frau, die mit Muskelschwund im Rollstuhl sitzt und kaum noch sprechen kann. Bevor sie unabwendbar dahinscheidet, würde sie gerne einmal mit einem Mann schlafen. Aber natürlich nicht mit irgendeinem, ein wenig flott darf er schon aussehen ...

Das Thema Sexualität von behinderten Menschen steht im Kino gemeinhin eher selten auf der Tagesordnung. Der britische Regisseur Paul Greengrass hat die schlimmste aller Fallen vermieden: „The Theory of Flight“ ist kein ödes Betroffenheitsdrama, sondern eine Art Selbstverwirklichungs-Tragikomödie, die mit Janes Behinderung ganz selbstverständlich und sogar humorvoll umgeht und auch den labilen, egozentrischen Richard letztlich zu sich selbst finden lässt.

„The Theory of Flight“, 28. 8. im Filmkunsthaus Babylon 1

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Die Qualität skandinavischer Kinderfilme ist legendär, und auch „Tsatsiki – Tintenfische und erste Küsse“ macht da keine Ausnahme. Die schwedische Regisseurin Ella Lemhagen erzählt vom achtjährigen Tobias alias „Tsatsiki“, der seinen griechischen Vater, eine Urlaubsbekanntschaft seiner Mutter, gar nicht kennt. Während er also gern einmal nach Griechenland fahren würde, ist die Mama vom Gedanken eines Wiedersehens mit dem Ex-Lover nicht sonderlich angetan. Wichtiger als der Plot sind der Regisseurin allerdings eher die alltäglichen Dinge im Leben ihres Protagonisten: Tsatsikis Liebe zu einer kleinen Blondine, Mamas komplizierte Beziehungskisten, die Prügeleien mit einem Rowdy in der Schule. Nicht immer klappt alles, wie man plant, doch der Grundton bleibt stets optimistisch. Und natürlich lernt Tsatsiki auch den Vater noch kennen.

„Tsatsiki – Tintenfische und erste Küsse“, 22. 8. – 28. 8. im Blow Up 2 und im Intimes

LARS PENNING

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