Kulturbrauerei an der Leine

Die von Insolvenz gebeutelte Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg erhält neuen Betreiber. Der macht alles allein, wird aber vom Land Berlin kontrolliert. Kultursenator sieht Standort künftig gesichert

„Die alte Struktur der gescheiterten Kulturbrauerei ist tot“

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Manch einer hat am Mittwoch die Anfahrt von drei großen Bierlastern auf dem Gelände der Kulturbrauerei als ein Zeichen des Aufbruchs zu deuten versucht. Wo so viel Gerstensaft geliefert und auch getrunken wird, so die Interpretation, kann nicht Hopfen und Malz verloren sein. Der Gedanke war richtig. Der seit Monaten von sich abwechselnden Geschäftsführern, Gezänk um das Konzept, hohen Schulden und schließlich von der Insolvenz gebeutelte Kulturstandort in Prenzlauer Berg hat seit gestern wieder eine Zukunft: freilich eine andere als die der vergangenen Jahre und eine mit Auflagen.

Das Land Berlin, die Eigentümerin des backsteinroten ehemaligen Brauereigeländes, die Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft TLG, und Sören Birke, Chef der Consense GmbH, haben sich am Mittwoch auf ein neues Betreibermodell geeinigt, das für die Kulturbrauerei die Chance beinhaltet, wieder „zum kulturellen Mittelpunkt des Bezirks und Impulsgeber für das Quartier sowie für die Berliner Kulturlandschaft zu werden“, sagte Kultursenator Thomas Flierl (PDS).

Kern des Konzepts ist, dass das Land Berlin als Mieter bei der TLG einsteigt und künftig 2,5 Euro Miete pro Quadratmeter für die Nutzung des großen und kleinen Kesselhauses, der Kantine, der Galerie und anderer Spielflächen bezahlt. Zugleich wurde nach einem Auswahlverfahren in der Kulturverwaltung Birke, dort bisher im „Soda“ beschäftigt, zum alleinigen Betreiber der Kulturbrauerei bestellt.

Bis Ende 2003, so Flierl, soll Birkes Consense GmbH „modellhaft“ beweisen, dass der Standort mit einer „Mischung aus einem gemeinnützig-alternativen und kommerziellem Kulturangebot funktioniert“. Sollte das Konzept aufgehen, so der Kultursenator, kann Birke über das Jahr 2004 hinaus mit der Unterstützung des Landes rechnen und in der Kulturbrauerei weitermachen.

In dem zwischen Birke und dem Land geschlossenen „Zuwendungsvertrag“ ist einerseits die finanzielle Unterstützung von rund 240.000 Euro jährlich festgelegt. Consense verpflichtet sich andererseits, mindestens die Hälfte seiner Veranstaltungen für öffentlich wirksame Kultur und weniger für rein kommerzielle Events zu reservieren. Um den Standort und den alternativen Kulturanteil zu sichern, hat Flierl den neuen Betreiber unter Aufsicht gestellt. Nach dem Scheitern der bisherigen Kulturbrauerei-Gesellschaft, die aus mehreren Mitgesellschaftern und einem Geschäftsführer bestand, die jeweils Projektmittel zur Förderung von Veranstaltungen beantragten, will nun das Land das Betreibermodell samt Zuwendungen kontrollieren. Dazu wird eine Projektgruppe in der Kulturverwaltung eingerichtet, die mit Consense zusammenarbeitet.

Vom alten Konzept der vielen Mitgesellschafter und uneinigen Geschäftsführern bleibt hingegen nichts mehr. „Die alte Struktur ist tot“, so TLG-Vertreter Klaus Adams. Es sei höchste Zeit gewesen, die Schuldenmacherei zu stoppen, eine geordnete Buchführung einzuführen und die Insolvenz zu beantragen, um einen „Neuanfang mit Perspektive“ starten zu können.

Nach dem Wechsel der Geschäftsführer im Frühjahr, einem Berg unbezahlter Rechnungen und Mieten in Höhe von rund 120.000 Euro war die Gesellschaft pleite. Thomas Wohlfahrt, Chef der Literaturwerkstatt, hatte darauf die Kulturbrauerei dem Insolvenzverwalter übergeben. Adams will die Mietrückstände mit dem Land „einvernehmlich klären“ und hofft auf Synergien zwischen den Kulturstätten und den anderen Institutionen wie dem Kino und dem Museum.

Sören Birke kennt den Standort nicht nur genau, er hat auch klare Vorstellungen von der neuen Struktur und dem „Programmmix aus kommerziellen und alternativen Veranstaltungen“. Als allein verantwortlicher Betreiber werde er sich zunächst um den Spielbetrieb in den verschiedenen Häusern kümmern und mit einem Event für die Flutgeschädigten starten. Folgen sollen ein Jazzfestival und Programme mit externen Gruppen.

Birke will wie bisher auch mit den ansässigen Gruppen arbeiten, Flächen für Kunst, Theater und Musikaufführungen vermieten und die benachbarten Institutionen in das Konzept einbeziehen. „Weitere innovative Impulse“ erhofft sich der Betreiber auch von der geplanten Sanierung der Alten Feuerwache und der Einrichtung der Literaturwerkstatt auf dem Gelände. Der mit dem Land geschlossene Zuwendungsvertrag samt Subventionen bilde „den Rahmen“ für die kommende Arbeit, sagte Birke. Der Rest müsse privatwirtschaftlich und im Wesentlichen über kommerzielle Programme à la Ulla Meinecke eingespielt werden. „Kein leichter Job“, wie Birke nachdenklich anmerkte.