im land der kinderklöpse   von HARTMUT EL KURDI
:

Für die Frau meines Herzens sind Holland und Dänemark eins. Es ist ihr unmöglich, die beiden semisympathischen Nachbarländer auseinander zu halten. Man kann mit ihr mitten in Kopenhagen stehen, ein fischiges „Smørebrød“ essen, eine Dose Faxe kippen, zwischendurch ein Lied von Gitte Haenning anpfeifen, und plötzlich fragt sie: „Wie heißt nochmal die Königin von Holland?“. Ich sage: „Beatrix, aber das willst du doch gar nicht wissen.“ – „Wieso?“ – „Weil du eigentlich wissen möchtest, wie die Königin von Dänemark heißt!“ Und dann ziehe ich gönnerhaft die Augenbrauen hoch, sie versteht und rammt mir kommentarlos ihren Ellenbogen in die Magengrube.

Wenn ich dann wieder atmen kann, sagt sie: „Holland, Dänemark – ist doch eh alles eine Suppe!“ Aus schmerztherapeutischen Gründen weise ich sie nicht darauf hin, dass das wahrscheinlich weder die Holländer noch die Dänen so richtig gern hören, zumal beide Völker neuerdings schamlos ausländerfeindlich wählen, also großen Wert darauf legen, sich ihre nationale Zwerg-Identität nicht verwässern zu lassen.

So gesehen ist die Haltung meiner Freundin moralisch einwandfrei: Nationalismus, Patriotismus und ähnlichen Neurosen ist nur mit konsequenter Ignoranz zu begegnen, Staatsgrenzen sind zu leugnen, Ländernamen zu verwechseln! Ist ja auch einfach, weil die wenigsten Länder noch etwas Originäres haben. Nur gegen die Biologie kommt die kulturelle Globalisierung noch nicht an.

So scheint es zum Beispiel eine genetische Eigenheit der Däninnen zu sein, Monsterbabys zu gebären. Zumindest vermitteln die gigantischen dänischen Kinderwagen diesen Eindruck. Als ich die erste dieser gewaltigen Blagenkutschen sah, vermutete ich aufgrund ihres Fünfzigerjahre-Stromliniendesigns, es mit einem Einzelstück, einem skurrilen Oldtimer zu tun zu haben, zu dessen gestalterischen Eigenheiten eben auch eine gewisse Überdimensionierung gehöre.

Aber falsch, alle dänischen Kinderwagen, egal welcher Stilepoche, wirken, als seien sie für Mutanten gebaut: Sie haben die Breite von Zwillingskarren und sind so hoch, dass ein beliebiger deutscher Vater, sagen wir: Michael Schumacher, bequem seine Hände in den Hosentaschen lassen und den Wagen mit seinem Kinn vorwärts schieben könnte. Als Räder werden 28er-Fahrradfelgen angeschraubt und mit dem Regenverdeck ließe sich auch ein Minivan vor Nässe schützen.

Nie wagte ich es, einen Blick ins Innere eines dieser Babykreuzer zu werfen, aus Angst, darin einen unförmigen, fleischigen, nur mit hellblondem Fisselflaum behaarten Wikingerklops zu entdecken und sofort zu erblinden. Oder von dem Ungetüm blitzartig gepackt, in den Wagen gezogen und verschlungen zu werden. Meine abgebuffte Freundin ist da weniger zimperlich. Als ich ihr von meinen Fantasien erzählte, stoppte sie den nächsten Kinderwagen, schaute hinein, winkte ihn weiter und sagte: „Das war ein ganz normales Kind, mit viel Platz drum rum. Die scheinen einfach Angeber zu sein, die Holländer …“ Ich nickte beruhigt und schwieg.