DIE STAATSGELDER FÜR DIE LUFTHANSA SIND UNNÖTIG
: Mit Erpressung in den Steigflug

Durch einen Schadensfall höhere Versicherungsbeiträge entrichten zu müssen, wie es jedem Autofahrer passieren kann – das findet die Deutsche Lufthansa unzumutbar. Gleich nach den Anschlägen auf das World Trade Center erklärte sich die Fluglinie wegen der gestiegenen Risikoprämien für ihre Maschinen zum Konkursfall. Dem Lamento folgten Forderungen, folgten Verhandlungen, folgten Drohungen: Wenn der Staat die Kosten nicht übernähme, blieben die Kraniche am Boden. Schließlich könne der Markt allein die Terrorfolgen nicht beheben. Bundesfinanzminister Hans Eichel hielt dagegen. Der Steuerzahler könne doch nicht für privatwirtschaftliche Risiken bürgen. Gezahlt hat er trotzdem, weil die ausländische Konkurrenz ebenfalls Unterstützung von ihren Regierungen erhielt.

Die schätzungsweise 60 Millionen Euro reichten der Lufthansa nicht. Wieder lamentierte, verhandelte, drohte die Airline, und wieder zahlte Eichel: weitere 70 Millionen. Die Situation sei eben so dramatisch, argumentierte Lufthansa-Chef Jürgen Weber. Und bitte: Jede Kritik von Verbrauchern oder Konkurrenten sei unangebracht. Doch die neuen Geschäftszahlen sagen das Gegenteil: Im Kerngeschäft, der Fliegerei, ist das Unternehmen kerngesund. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hat die Linie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ihren operativen Konzerngewinn mehr als verdreifacht. Zwischen den Zahlen liegt der 11. September, der vermeintlich zum Beinahe-Bankrott des Luftfahrtgiganten führte. Der Erfolg liege am klugen Konzept, meint Weber. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte heißt: Er liegt an erfolgreicher Erpressung. Denn nach wie vor überweist der Bund die Versicherungsraten für das fliegende Betriebskapital der Lufthansa.

Damit bürgt der Steuerzahler weiter für das Privatrisiko der Aktionäre. Rückzahlungsverpflichtungen an den Bund bestehen leider nicht, und die Anteilseigner rechnen auch weiter mit dem Scheck aus Berlin. Denn die Börse reagierte gestern auf die Bilanz euphorisch – und steigerte den Lufthansa-Wert um 400 Millionen. NICK REIMER