philipp maußhardt über Klatsch
: Der Regen ist ein Segen

Telefonate nach Deutschland enden derzeit meteorologisch. Nutzt die Flut nun Ebbe-Ede oder Toskana-Joschka?

Es ist schon merkwürdig, wenn in diesen Tagen als einzige Informationsquelle ausgerechnet Pilzsammler herhalten müssen, die im Laufe des Tages am abgelegenen Haus im Wald vorbeikommen und sich am Brunnen auf ein paar Schluck Wasser ausruhen. „Was gibt’s Neues?“, frage ich sie jeden Tag, und sie werfen mir Namen deutscher Flüsse und Städte zurück, die aus ihren italienischen Kehlen so seltsam weit weg klingen: „Wittenberge, Elba, Dessau, Mulde.“ Anschließend reden wir übers Wetter und dass seit Menschengedenken in Italien noch nie so viele Steinpilze im August gewachsen sind. Dank des vielen Regens. Was für ein Segen!

Telefonate nach Deutschland enden in dieser Zeit gleichfalls meteorologisch. Werden die Überschwemmungen der Regierung eher nutzen oder schaden? Zwei Prozent plus für die Grünen, schätzt meine Mutter, „weil die Leute endlich kapieren, dass das mit der Klimaveränderung zusammenhängt“. Ein taz-Redakteur sagte, er glaube, dass in Krisenzeiten die Menschen eher auf Kontinuität statt auf Wandel setzen. Außerdem habe Helmut Schmidt als Überschwemmungskanzler Maßstäbe gesetzt. Man klammert sich im Untergehen eben an jeden Strohhalm.

Nein, nein, wir müssen davon ausgehen, dass die Toskana-Fraktion am Ende ist. Da hilft kein Regengott. Als ich gestern in Otto Schilys Ferienhaus in der Südtoskana anrief, in der Hoffnung, ihn zu einem Pilzessen zu animieren, meldete sich kein Schwein. Und bei Joseph Fischer, etwas nördlich davon gelegen, wohnen mir unbekannte Menschen. So ist das: Die Regierung hat sich Urlaubssperre verordnet, bleibt zu Hause, weil ihr die Felle davonschwimmen.

Macht aber nichts, denn rein klatschmäßig hat die Nation sowieso schon umgestellt. Das Verhältnis von Lothar Späth zu seinen Sekretärinnen ist derzeit wesentlich interessanter als die Frage, ob Joschka schon wieder auf Brautschau ist. Die Gerüchte, dass das Cleverle aus Jena wieder einmal seine Sekretärin pimpert, verkürzt in jedem Klatschressort der Republik die Mittagspause, und das längste Jawort der politischen Geschichte, das „Bald-werden-wir-heiraten“ unserer kommenden Familienministerin, die Wolfgang Schäuble noch immer falsch als „Frau Reichel“ anspricht, ist ebenfalls längst spannender als die Haarfarbe des Kanzlers.

Nur bei Familie Stoiber dürfen wir auf gar nichts hoffen. Da ist klaschtechnisch gar nichts zu erwarten. Da ist kein Saft drin. Stoiber, der Trockenpilz. Nach Flut-Kanzler Schmidt jetzt Ebbe-Kanzler Stoiber. Er wird ein stinklangweiliger Kanzler werden. Seine Karin wird sich weder scheiden lassen noch Selbstmord begehen. Und die Stoiber-Kinder? Keine Experimente! Nicht einmal mit Drogen.

Wer sich noch an Franz Josef Strauß erinnert, wird zustimmen, dass er seinen jungen Adlatus Edmund auch deshalb im Grunde verachtete, weil der immer schon ins Bett ging, bevor die Sau herausgelassen wurde. Aber das waren andere Zeiten und Nässeperioden bedingen vielleicht gerade trockene Führer. Der Steinpilz, so sagen jedenfalls die, die hier jeden Tag vorbeikommen, um den Pegelstand nördlich der Alpen durchzugeben, schmecke noch intensiver, wenn man ihn aufgeschnitten ein paar Tage in die Sonne lege.

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