15 Jahre Haft für Brandstiftung

Im niederländischen Almelo wurde ein 35-Jähriger für schuldig befunden, die Brandkatastrophe von Enschede ausgelöst zu haben. Im Mai 2000 starben dort nach der Explosion einer Feuerwerksfirma 22 Menschen, ein Stadtteil wurde verwüstet

von HENK RAIJER

Ein Anruf vom Tatort, Schmauchspuren an Hemd und Hose sowie Bekenntnisse gegenüber einem V-Mann in der U-Haft – die Indizien sprachen von Anfang an gegen ihn: Im niederländischen Almelo wurde gestern wegen Brandstiftung mit Todesfolge André de Vries zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 35-Jährige am 13. Mai 2000 auf dem Gelände einer Feuerwerksfabrik in Enschede einen Brand gelegt hat, der zwei Explosionen auslöste und anschließend ein ganzes Viertel in Schutt und Asche legte. Bei der Feuersbrunst starben 22 Menschen, hunderte wurden verletzt.

Das Gericht schloss sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an. Die hatte in ihrem Abschlussplädoyer zwar eine lebenslängliche Freiheitsstrafe als angemessen bezeichnet, aber gelten lassen, dass es neben De Vries weitere Schuldige gäbe: einmal die Betreiber von S.E. Fireworks, Ruud Pater und Willem Bakker, die im Frühjahr wegen Verstößen gegen die Sicherheitsvorschriften zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt wurden; des Weiteren die Behörden, die nicht nur das Pulverfass mitten in Enschede genehmigt, sondern auch die Kontrollen zu lax gehandhabt hätten.

André de Vries hat im Gerichtssaal abgestritten, das Inferno von Enschede ausgelöst zu haben. Aber die Beweislast wog zu schwer gegen den Mann, der einen Monat nach der Katastrophe wegen einer anderen Zündelei in Haft war, auf freien Fuß gesetzt wurde, aber alsbald in Verdacht geriet, die Explosion auf dem Gelände von S.E. Fireworks verursacht zu haben.

Anlass für den Anfangsverdacht und die erneute Festnahme De Vries’ im Januar 2001 war ein Telefonat. Ermittler hatten herausgefunden, dass die erste Meldung vom Feuer bei S.E Fireworks direkt nach Ausbruch des ersten Brandes und von einem Standort in unmittelbarer Nähe der Feuerwerksfabrik eingegangen war. Und: Der Anruf kam vom Handy des Verdächtigen.

Wenige Wochen nach seiner Festnahme wurde dann bekannt, dass De Vries in der Haftanstalt Mitgefangenen sein Verbrechen gestanden hätte. Wörtlich soll De Vries einem Insassen, der sich später als V-Mann entpuppte, gesagt haben: „Ich habe das Feuer gelegt, aber ich kann das doch jetzt nicht mehr zugeben, nach allem, was passiert ist.“

Während des Prozesses blieb De Vries – der jegliche Zusammenarbeit mit den medizinischen Gutachtern verweigert hatte und daher für zurechnungsfähig erklärt worden war – bei seiner Version, wonach er zum Zeitpunkt des ersten Brandes (15.01 Uhr) nicht in Enschede, sondern „mit Freunden“ an einem Badesee vor der Stadt gewesen sei, und zwar seit 14.30 Uhr. Die Freunde indes, die nach eigenen Angaben angesichts des Ausmaßes der Katastrophe Skrupel bekamen, De Vries zu dem von ihm verlangten Alibi zu verhelfen, bezeugten, dieser sei erst um 15.30 Uhr zu ihnen gestoßen.

Bei seinen Versuchen, das Gericht davon zu überzeugen, dass er mit der Brandstiftung von Enschede nichts zu schaffen habe, betonte De Vries immer wieder, er hätte eine „Heidenangst“ vor Feuerwerk, auch Zündeln wäre ihm fremd. Dabei hatte die Polizei ihn einen Monat nach dem Inferno ertappt, wie er gerade sein Auto in Brand stecken wollte. Auch fand sie Feuerwerk in seiner Wohnung. Darüber hinaus sagten Zeugen während des Prozesses aus, De Vries habe sich an Silvester 1999 in einer Kneipe damit gebrüstet, dass er nach Sauftouren mit Kumpels schon mal eine Scheune, etwa im benachbarten Deutschland, angezündet hätte. Er habe getönt, er wüsste, dass „bei S.E. Fireworks eine Bombe lagert. Und die geht eines Tages hoch.“

Entscheidendes Indiz für das Gericht indes war, dass die Ermittler auf Hemd und Hose, die André de Vries Zeugen zufolge zur Tatzeit trug, Spuren von Feuerwerk fanden, die bis ins Detail den Schmauchspuren glichen, die man auf der Kleidung von Opfern der Feuerkatastrophe gefunden hatte: eine Pulvermischung, wie sie ausschließlich bei explodiertem Feuerwerk freigesetzt wird.