stoibers wirrer steuerkurs
: Jetzt denkt er, wie er redet

Dass Edmund Stoiber beim Reden manchmal über sich selbst stolpert, ist nicht weiter schlimm – George W. Bush ist damit sogar Präsident der größten Fernsehnation der Welt geworden. Problematisch ist allerdings, dass sich das Stoiber’sche Taumel-Trauma unter Hochwassereinfluss verstärkt: Nun denkt er plötzlich, wie er spricht.

Nächste Woche möchte die Union der rot-grünen Fluthilfe und ihrer Finanzierung im Parlament zustimmen – nach der Wahl will sie die Beschlüsse wieder aufheben. Gegen diesen Gedankengang war Stoibers Auftritt bei Christiansen ein Wunderwerk an Schlüssigkeit. Daran ändert auch die Behauptung der Union nichts, die Öffentlichkeit wolle jetzt keine Finanzdebatten. Entweder die Verschiebung der Steuerreform ist falsch, dann darf man sie nicht mittragen. Oder sie ist richtig, dann ist es unsinnig, sie in vier Wochen wieder zu stornieren.

Und der Wirrwarr nimmt kein Ende: Am Montag noch wollte Stoiber die Kapitalgesellschaften belasten, am Donnerstag ist davon keine Rede mehr. Erst warf er der Bundesregierung soziale Kälte vor, kaum lenkt der Finanzminister ein, will der Bayer von der Körperschaftssteuer nichts mehr wissen. Entweder hat er es also mit seiner Fürsorge für die kleinen Leute gar nicht ernst gemeint – oder er lässt sie jetzt im Regen stehen.

Von einem nationalen Kraftakt spricht er schließlich, doch sein Alternativkonzept zur Bezahlung der Flutschäden lädt alle Kosten beim Bund ab. Welchen Beitrag leisten Bayern und die anderen Länder?

Ausgerechnet der ernste Mann für ernste Zeiten verbeugt sich nach allen Seiten gleichzeitig. So viel Opportunismus erlaubt sich selbst Gerhard Schröder nur noch in höchster Not – aus leidvoller Erfahrung. Wer sich selbst widerspricht, stimmt unfreiwillig dem politischen Gegner zu. Stimmigkeit in den eigenen Aussagen ist das politische Führungszeugnis eines Kanzlerbewerbers – wer daran scheitert, braucht zum Vorstellungsgespräch beim Wähler eigentlich gar nicht mehr zu erscheinen. Eines verbindet Stoibers Stolpern in Rede und Gedanke: Es tritt verstärkt auf, wenn der CSU-Vorsitzende sich mit einer Realität außerhalb seiner selbst beschäftigen muss. Stoibers natürliche Redeweise ist der Monolog, sein Regierungsstil die amtliche Anordnung – wenn die Welt nicht auf sein Wort hört, reagiert er verwirrt. Der Regent aus dem Süden hat sich nie daran gewöhnt, im Bund vorerst nur Oppositionsführer zu sein. So war er doppelt verwirrt, als Schröder die Fluten so trickreich wie handlungsstark für sich nutzte. Es könnte so schön sein, Kandidat zu sein – wenn nur dieser Kanzler nicht wäre. PATRIK SCHWARZ