Neuanfang im Geschwornenweg

An alter Stelle entsteht jetzt ein neues Zentrum der Heilsarmee. In einem Bungalow ist dann wieder Platz für die Wohltätigkeitsarbeit der Armee

Noch klafft ein großes Loch zwischen dem Geschwornenweg Nummer 13 und 9. Die Nummer 11, eine Seniorenwohnanlage der Heilsarmee, war am 20. November 2000 durch eine Gasexplosion in die Luft geflogen. Bei Bauarbeiten im Geschwornenweg hatte ein Bagger die Leitung, die das Heilsarmeehaus mit Gas versorgte, angehoben und wieder abgesenkt. Die Leitung bekam dadurch einen Knick und Gas strömte in den Keller des Hauses. Etwa 20 Minuten später kam es zur Explosion. Die Folge: 12 Tote, 20 Verletzte und ein Sachschaden von umgerechnet etwa 7,5 Millionen Euro.

Seit einigen Wochen wird hier wieder gebaggert. Dieses Mal im Auftrag der Heilsarmee: Bis zum nächsten März sollen hier ein neues Gemeindezentrum und nebenan ein Mehrfamilienhaus entstehen. Auf 360 Quadratmetern Fläche wird die Heilsarmee im nächsten Frühjahr wieder ein Zentrum für ihre Arbeit haben. Die konzentriert sich hauptsächlich auf Hilfe für Obdachlose. Hier bekommen sie Kleidung und einmal in der Woche ein Frühstück. „Der missionarische Gedanke steht dabei nicht unbedingt im Vordergrund“, betont Annemarie Wolf, die Leiterin der Heilsarmee Bremen – auch „Sergeantin“ genannt.

Zwar werde am Anfang des Frühstücks gebetet, aber wer das nicht mag, könne auch später kommen. Die meisten hörten jedoch sehr interessiert zu, sagt sie. „Jeder Pfarrer würde sich über soviel Aufmerksamkeit freuen.“ Als Freikirche sind die „Soldaten im Namen Gottes“ vor allem auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Die Kosten des Neubaus von rund 670.000 Euro finanzieren sie weit gehend aus der Versicherungspolice.

Zur Zeit ist das „Korps“ der Heilsarmee in den Räumen der Zionsgemeinde in der Kornstraße zu finden. „Unsere Möglichkeiten sind dadurch extrem eingeschränkt“, klagt Annemarie Wolf. „Für die Leute sind wir ohne eigene Anlaufstelle nicht mehr sichtbar“. Tatsächlich ist die Heilsarmee in der Kornstraße nur zu festen Terminen wie dem sonntäglichen Gottesdienst oder dem wöchentlichen Frühstück für Obdachlose anzutreffen. Auch für die große Kleiderkammer ist dort kein Platz. Die Kleidersammlung lagert derzeit im Keller der Leiterin. So können Menschen, die ein Gespräch oder Hilfe suchen, nicht mehr einfach so vorbeikommen. Die Arbeit insgesamt habe sich dadurch auf rund ein Drittel reduziert, schätzt die Sergeantin.

Im neuen Gemeindezentrum wird für all diese Arbeiten wieder Platz sein. Vorher hatte die Heilsarmee hier in einem großen Kasten ihre Anlaufstelle. Zusätzlich betreute das „Korps“ in dem mehrstöckigen Gebäude mit Flachdach mehrere Seniorenwohnungen. Jetzt wird man sich mit dem neuen Gebäude besser in das Straßenbild einpassen. Ein zweistöckiges Mehrfamilienhaus mit Spitzdach wird an das Nachbarhaus anschließen. Ein Bungalow dient als Gemeindezentrum. In dem Bungalow gibt es neben einem großen Saal für die Gottesdienste und die Obdachlosenarbeit auch zwei Gruppenräume. Platz genug also auch für die zwei Frauengruppen, die sich wöchentlich zum Kaffeetrinken, Basteln oder Gedankenaustausch treffen. Das alte Niveau werde man in den neuen vier Wänden schnell wieder erreichen, hofft Annemarie Wolf.

Die fünf Wohnungen des Neubaus sind nicht wie damals für betreutes Wohnen von Senioren konzipiert. „Die Räume waren mangels Bedarf sehr schwer zu vermieten“, erklärt Annemarie Wolf.

Stattdessen wolle man dieses Mal „ganz normale Mieter“ ansprechen. Mitglied der Heilsarmee müsse man dafür auch nicht sein: „Die Einzige, die Mitglied der Heilsarmee sein wird, bin ich“, grinst die Sergeantin.

Bei aller Freude über den Neuanfang an der alten Adresse ist die tödliche Explosion von vor zwei Jahren nicht vergessen. Annemarie Wolf war damals Bewohnerin des Hauses der Heilsarmee – und sie wird es auch in Zukunft sein. Am Unglückstag selbst war sie zum Glück in Hamburg. „Die Erinnerungen sind natürlich noch da. Aber ich bin ohne Angst“, sagt sie. Schließlich habe man sich dieses Mal auch für eine Ölheizung anstelle einer Gasheiung entschieden.

Verena von Ondarza