Wo kein Wald, da kein Brand

Neuer Clou von US-Präsident Bush: Er will der Holzindustrie das Abholzen leichter machen, um die Waldbrandgefahr zu mindern. In Kanada anderer Weg vorgeschlagen

NEW YORK taz ■ Mit seiner Air Force One überflog Präsident George Bush am Donnerstag den neusten Großbrand, der die Wälder im Westen der USA heimsucht. 190.000 Hektar brennen derzeit in Oregon an der Westküste. „Es ist eine Schande“, sagte er anschließend vor der Kulisse verkohlter Baumstämme und verkündete dann, wie die Regierung das Problem lösen will: durch mehr Abholzen.

Kern der Vorschläge ist es, der Forstindustrie besseren Zugang zu bundeseigenen Wäldern zu verschaffen. Unterholz und trockener Baumbestand soll aus den 76 Millionen Hektar Wald, die als akut brandgefährdet gelten, entfernt werden. Damit die Industrie ein Interesse daran hat, diese Arbeit für die Regierung zu erledigen, soll ihr erlaubt werden, auch große, wertvolle Bäume mit zu schlagen. Die lästigen bürokratischen Genehmigungsverfahren sollen drastisch verkürzt werden, versprach Bush.

Umweltschützer sind entsetzt. „Mehr Wald, weniger Bush“, stand auf Protestplakaten, die Umweltschützer entlang der Route des Präsidenten hochhielten. In Portland, Oregon kam es am Donnerstag gar zu Straßenschlachten zwischen Protestierenden und der Polizei (http://portland.indymedia.org). Der Chef des landesweiten Umweltverbands Sierra Club, Carl Pope, meint auch, bestimmte Wälder müssten von trockenem Unterholz befreit werden, um das Brandrisiko zu vermindern. „Wir benutzen aber die forstwissenschaftliche Definition von Ausdünnung, Präsident Bush dagegen benutzt die Definition der Holzindustrie.“

2,4 Millionen Hektar Wald – etwa die Fläche von Mecklenburg-Vorpommern – sind in den USA bislang in diesem Sommer in Flammen aufgegangen, doppelt so viel im Durchschnitt der vergangenen Jahre. 20 Feuerwehrleute kamen dabei ums Leben, mindestens 2.000 Gebäude wurden zerstört.

Die Dürre, die derzeit im Westen des nordamerikanischen Kontinents herrscht, ist jedoch nur vordergründig der Auslöser der schlimmen Brandserie. Der eigentliche Grund liegt in der Forstpolitik. Seit einem Jahrhundert gilt in den USA das Dogma, jeden Waldbrand sofort mit aller Macht zu bekämpfen. Gebrannt hat es schon immer, erklärt der Umwelthistoriker Stephen Pyne in seinem Buch „Year of Fires“. Früher fanden diese Brände regelmäßig statt, wodurch trockenes Gebüsch und altes Holz von selbst verschwanden. Hindern die Feuerwehrleute den Wald aber über lange Zeit am Brennen, wird er zum Pulverfass.

Doch die Uhr lässt sich nicht zurückstellen. Inzwischen stehen zehnmal so viele Häuser in waldbrandgefährdeten Gebieten – oft aus hochbrennbarem Holz gebaut – wie noch vor 25 Jahren, schätzt das Interagency Fire Center, die zentrale Koordinationsstelle für die Brandbekämpfung. Und deren Besitzer halten wenig davon, Feuer einfach brennen zu lassen oder kontrollierte Feuer absichtlich zu legen. Vor zwei Jahren war solch ein kontrolliertes Feuer außer Kontrolle geraten und hatte Hunderte von Häusern zerstört.

Im Gegensatz zu den USA fordert in Kanada die Forstbehörde, die Brandbekämpfung und das Ausdünnen der Wälder auf die bewohnten Gebiete zu beschränken. Es müssten künftig nicht nur „die ökonomischen und ökologischen Kosten, sondern auch der Nutzen von Waldbränden“ berücksichtigt werden. Doch dieser Plan ist nicht nach Bushs Geschmack. Denn davon hätte die Forstindustrie wenig.

NICOLA LIEBERT