Eisen-Ede poltert nicht mehr

Nach dem 0:4 von Energie Cottbus gegen Rostock sind selbst Eduard Geyer die lauten Worte ausgegangen. Bei Hansa freut man sich derweil über eine Mannschaft, die Fußball spielen kann

aus Cottbus FRANK KETTERER

Es ist dann noch sehr ruhig geworden in der schwülen Hitze des kleinen Presseraumes, und wer auf eine saftige Gardinenpredigt gewartet hatte, wie es bisweilen durchaus die Art von Eduard Geyer sein kann, der war fehl am Platze. Kein Poltern, kein lautes, aufrüttelndes Wort kam diesmal über die Lippen des Cottbuser Trainers. Stattdessen wurde die Stimme des 57-Jährigen immer leiser und leiser und leiser, so leise, dass es am Ende noch nicht einmal mehr ein Flüstern war, sondern nur noch ein schwaches, stimmloses Dahingehauche, gerade so, als habe dem Mann jemand die Luft zum Atmen abgedreht.

„Das war keine Leistung mehr“, brachte Geyer gerade noch hervor, und für einen Moment sah es so aus, als hätte sich ein feuchter Schleier über seine müde wirkenden Augen gelegt, auch wenn man sich das gar nicht vorstellen kann bei einem, der sich als Eisen-Ede Ruhm und Ehre erworben hat. Später, nachdem die Presse mit Stoff für ihre Geschichten versorgt worden war, wurde hinter den verschlossenen Türen des Trainerzimmers von maßgeblichen Personen eifrig weiterdiskutiert über den Ernst der Lage, die diesmal so ernst ist, dass das Gespräch einem Krisengespräch gleichkam. „Es ist eine sehr, sehr komplizierte Situation“, hatte Ede Geyer zuvor schon wissen lassen. „Wir müssen uns alle zusammen Gedanken machen, wie es weitergeht.“ Und zwar möglichst rasch, wie Klaus Stabach, der Manager, anmahnt: „Wenn wir die Ursachen nicht bald finden, kriegen wir gewaltige Probleme.“

Als ob sie die nicht jetzt schon hätten, mit einem Punkt nach drei Spielen und dabei kassierten zehn Toren. 0:4 hieß es am Samstag gegen den FC Hansa Rostock – und allein in diesem Resultat spiegelt sich die Tiefe der Krise wider: Es war die höchste Heimpleite des FC Energie in der Bundesliga, und es war der erste Sieg der Rostocker im Stadion der Freundschaft. „Die waren uns in allen Belangen überlegen“, hatte Eduard Geyer feststellen müssen, „katastrophale individuelle Fehler“, vor allem in der Abwehr, inbegriffen. Jedem der vier Rostocker Tore – Rydlewicz (17. und 64.) sowie Prica (27.) und Wibran (46.) trafen für Rostock – war ein übler Patzer eines Energie-Spielers vorausgegangen. Zur Durchlässigkeit der Abwehr, vor allem Libero Sebök präsentierte sich als personifizierte Krise, gesellte sich ein zunehmend lustloser Vasile Miriuta, eigentlich für den Spielaufbau zuständig, und eine Sturmabteilung (Topic und Juskowiak sowie später Franklin und Feldhoff), die in 90 Minuten nicht eine Torchance zuwege brachte. Alles in allem erreichte die Cottbuser Elf damit auch gegen Rostock mühelos jene Güteklasse, die ihr Geyer bereits nach der 0:5-Pleite aus der Vorwoche in Bochum zuerkannt hatte: „Bundesligauntauglich!“

Mindestens so sehr wie das spielerische Vakuum dürfte den Trainer aber umtreiben, dass die Seinen sich all zu früh in ihr trauriges Schicksal fügten. „Zuletzt sind wir in diesem Derby immer über unseren Schatten gesprungen“, sagte Geyer. Diesmal aber war Cottbus im Bruderkampf nicht Gegner, sondern einfach nur Opfer. „Das“, verriet der Trainer, „macht mir große Sorgen.“

So groß waren die Sorgen auf der einen Seite, dass die andere sich noch nicht einmal getraute, besonders fröhlich zu sein. „Ich weiß, wie es meinem Kollegen jetzt geht“, sagte Hansa-Trainer Armin Veh mitfühlend; trotz aller Pietät ganz verbergen konnte er das zufriedene Lächeln, das um seine Mundwinkel zuckte, freilich nicht. Mit drei Siegen, acht Treffern und keinem Gegentor hat Veh derzeit ja auch allen Grund, frohgemut zu sein. Sein Team ist, neben dem VfL Bochum, die absolute Überraschung der bisherigen Saison. Doch mehr noch als die nackten Fakten erquickt den Trainer, dass dies kleine Wunder mit bisweilem aufregenden Fußball zuwege gebracht wurde. In der Vorsaison, als Veh die abstiegsbedrohten Rostocker von Friedhelm Funkel übernahm, hatte er sich nämlich noch beklagt, „dass man mit älteren Spielern nur langsameren und unattraktiven Fußball“ spielen könne, in der Sommerpause legte Veh deshalb kräftig Hand an an den Kader.

Zwölf Spieler mussten gehen, neun Neue kamen. Dass die Frischzellenkur von Beginn an solch durchschlagende Wirkung zeigen würde, hat selbst in Rostock den ein oder anderen überrascht. „Man kann sagen, dass das schon etwas mit Fußball zu tun hat“, beschreibt Veh, was seine „ziemlich neue Mannschaft“ beispielsweise in Cottbus dargeboten hat. Mit dem Ghanaer Godfried Aduobe sowie den Schweden Marcus Lantz verfügt das Team über bisher nicht gekanntes spielerisches Potenzial im Mittelfeld, auch der Rest „kann Fußball spielen“, wie Veh, ein bekennender Jünger des Kurzpassspiels, mehrfacht betont. Jedwelches Geschwätz, Hansa könne es damit gar zu Höherem treiben, wehrt Veh dennoch vehement ab. „Wichtig ist, dass wir Punkte für den Klassenerhalt sammeln – und das so früh wie möglich“, hat er in Cottbus gesagt. Ede Geyer war da schon von dannen gezogen – zum nächsten Krisengespräch.