HESSENS GRÜNE SERVIEREN IHREN ALTKADER HUBERT KLEINERT EISKALT AB
: Partei der Gnadenlosen

Die Grünen sind eine normale Partei. Und das ist gut so. Nicht gut ist, dass sie mit ihren Leuten inzwischen gnadenloser umgehen als alle anderen Parteien. Die Art jedenfalls, mit der Hubert Kleinert (48) auf dem Landesparteitag der hessischen Grünen am Sonnabend gechasst wurde, ist Beleg dafür, dass Intrigantentum inzwischen zum üblichen Instrumentarium zur Lösung grüneninterner Konflikte gehört. Vergessen ist, dass diese Partei einmal angetreten waren, die Lebensqualität zu verbessern, sich am konsequentesten für die Menschenrechte im Allgemeinen und für die grundgesetzlich garantierte Menschenwürde einzusetzen. Und zwar sowohl parteiextern als auch -intern.

Heute lässt die Spitze der hessischen Landtagsfraktion den verdienten Parteisoldaten Kleinert einfach so ins offene Messer laufen – in Zusammenarbeit mit der Grünen Jugend Hessen (GJH), die ihren Kandidaten Matthias Wagner (28) unbedingt durchbringen wollte. Niemand sagte Kleinert, dass er chancenlos war: im Kampf gegen die Wunschkandidaten der Fraktion, die auf Kontinuität setzte, und gegen den Kandidaten der GJH im Bündnis mit der Fraktion. Im Gegenteil. Fraktionschef Tarek Al-Wazir (31) und andere drängten den Altgrünen gar zur erneuten Kandidatur auf dem sechsten Listenplatz, nachdem er den Kampf um Platz vier gegen den amtierenden Fraktionsgeschäftsführer Frank Kaufmann (54) grandios verloren hatte. Dass sich Kleinert nach dem Landtagswahldebakel von 1999 dazu überreden ließ, die hessischen Grünen aus der Krise zu führen, spielte keine Rolle. Ebenso wenig fiel ins Gewicht, dass der ehemalige Bundestagsabgeordnete eine Galionsfigur der Grünen ist. Kleinert wurde einfach durchgereicht. Das ist eine Blamage für ihn – aber vor allem für die grüne Partei.

Tatsächlich wollte niemand den sperrigen Kleinert in einer Landtagsfraktion haben, in der längst die Mittelmäßigkeit dominiert. Einen Abgeordneten, der gern theoretisiert und zum besserwisserischen Dozieren neigt – wer braucht den schon? Kandidaten für Parlamente haben heute pflegeleicht zu sein – auch bei den Grünen. Wichtig für die grünen Politiker ist heute, dass sie ihre Worthülsen auf den Phrasendreschplätzen in der richtigen Folge aneinander reihen können. Es ist richtig: Kleinert erfüllt diese Bedingung nicht. Aber das hätte man ihm vorher sagen müssen. Kluge Strategen in anderen Parteien bieten in solchen Fällen gut dotierte Positionen in Parteigremien oder Stiftungen an. Die Grünen aber lassen es inzwischen zu, dass sich ihre Veteranen vor Publikum selbst demontieren. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT