Heroin als Arznei?

Auch Frankfurt will jetzt mit einer Studie starten, bei der Schwerstabhängige ihren Stoff vom Staat bekommen

BERLIN taz ■ Als letzte von sieben Städten wird jetzt auch Frankfurt in die bundesweite Heroinstudie einsteigen, die das Bundesgesundheitsministerium mitfinanziert. In der Studie testen Wissenschaftler, ob sich die Situation schwerstabhängiger Suchtkranker verbessern lässt, wenn an sie kontrolliert Heroin ausgegeben wird. „Wir werden im September mit der Rekrutierung der Versuchspersonen beginnen“, sagte die Leiterin des Frankfurter Drogenreferats Regina Ernst.

Im Vorfeld hatte es – ähnlich wie in Hamburg – Schwierigkeiten mit dem Standort der Drogenambulanz gegeben. Zum Konzept der Arzneimittelstudie gehört nämlich auch, die Junkies aus ihrem Viertel rauszuholen. „Wir wollten daher bewusst keine Ambulanz im Bahnhofsviertel errichten“, so Ernst zur taz.

Doch die Bewohner des Ostends, wo die Stadt eine Liegenschaft kaufte, gingen auf die Barrikaden. Eine Bürgerinitiative bildete sich. Die Menschen befürchteten, dass die Kriminalität zunehme und ihre Kinder zum Drogenkonsum verführt würden. Diese Gefahren bestehen nach Angaben der Verantwortlichen der Studie aber in keiner teilnehmenden Stadt. Im Gegenteil: Durch die kostenlose Abgabe des Heroins müssten sich die Abhängigen den Stoff nicht mehr auf dem Schwarzmarkt besorgen. Daher rechne man auch nicht mit Dealern im Umfeld der Einrichtungen. In Frankfurt wurde ein runder Tisch gebildet, um die skeptischen Bürger davon zu überzeugen, dass das Projekt keine Gefahr darstellt. Bei einem Teil sei das gelungen, so Ernst.

Nach Angaben der Wissenschaftler ist bei 13.500 bis 17.000 der 120.000 Heroinabhängigen in Deutschland die Methadonsubstitution wenig erfolgreich oder die Abhängigen werden erst gar nicht durch eine der gängigen Therapieformen erreicht. Diese Gruppe steht nun im Mittelpunkt der Studie. Ist sie erfolgreich, wird es vielleicht in einigen Jahren Heroin als Arzneimittel geben, damit sich Schwerstabhängige ihren Schuss ohne Prostitution und Raub setzen können. Langfristig, so die Verantwortlichen, sollen sie aber drogenfrei werden.

Insgesamt 1.120 Abhängige nehmen an der Studie teil, die in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die eine Hälfte der Versuchspersonen bekommt Heroin, die andere Hälfte in einer Kontrollgruppe Methadon. Wer welcher Gruppe angehört, wird per Los entschieden. Außerdem testen die Wissenschaftler zwei unterschiedliche Arten der psychosozialen Betreuung. Die Studie, die bereits im März in Bonn anlief, ist auf bis zu drei Jahre angelegt. Sie gilt als Einstieg in eine neue Drogenpolitik, bei der sich der Staat nun auch um die Abhängigen kümmert, bei denen scheinbar nichts mehr hilft. Ob es anschließend Heroin wirklich als Arznei geben wird, entscheiden die Ergebnisse. NICOLE KUHN