Hessen-Grüne treten Kleinert zurück

Trotz der eindringlichen Warnungen von Joschka Fischer verweigern die hessischen Grünen ihrem Landesvorsitzenden Hubert Kleinert einen sicheren Platz auf der Kandidatenliste zur Hessen-Wahl. Der 48-Jährige hört „enttäuscht und auch gekränkt“ auf

aus Kirch-Göns KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Außenminister Joschka Fischer beschwor seine hessischen Parteifreunde auf der Landesmitgliederversammlung am Samstag in Kirch-Göns bei Gießen eindringlich, sich bei der Aufstellung der Landesliste zur Hessenwahl im Februar 2003 ihrer Verantwortung für die gesamte Partei bewusst zu sein. Man befinde sich schließlich mitten im Bundestagswahlkampf. Doch sein Appell verhallte ungehört. Die knapp 500 Delegierten verweigerten ausgerechnet ihrem Landesvorstandssprecher Hubert Kleinert (48) einen – mutmaßlich – sicheren Platz auf dieser Liste.

Der frühere Bundestagsabgeordnete und Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, der die daniederliegenden hessischen Grünen nach der blamabel verlorenen Landtagswahl von 1999 wieder (mit-)aufbaute, trat sofort danach „enttäuscht und auch gekränkt“ von seinem Amt an der Spitze der Landespartei zurück. Der Eklat war da. Und als einige Grüne die Demission von Kleinert, der am Mikrofon mit den Tränen kämpfte, auch noch beklatschten, schämten sich – plötzlich – viele andere in der Partei. Einen solchen Abgang, so hieß es allenthalben im Auditorium, habe Kleinert nicht verdient.

Verloren hatte er beim Kampf um den dritten Männerplatz auf der Liste am Ende ausgerechnet gegen Mathias Wagner (28) von der Grünen Jugend Hessen (GJH); im dritten und letzten Wahlgang. Ein Déjà-vu-Erlebnis für den (ehemaligen) Intimus von Joschka Fischer. Denn schon einmal schlug ihn ein Mitglied der GJH aus dem Felde. Bei dem Versuch, einen sicheren Listenplatz für die Bundestagswahl 1994 zu ergattern, scheitere Kleinert an Matthias „Kid“ Berninger, der inzwischen Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium ist.

Kleinert wollte am Samstag eigentlich schon nach dem verlorenen Kampf um den zweiten Männerplatz, den der Landtagsabgeordnete und passionierte Flughafenausbaugegner Frank Kaufmann (54) gewann, aufgeben. Doch „Parteifreunde“, allen voran der Fraktionschef im Landtag, Tarek Al-Wazir (31), überredeten ihn zu einer weiteren Kandidatur auf dem nächsten Männerplatz. Die Niederlage dann war umfassend. Selbst ein in der Partei bislang relativ unbekannter Biobauer aus Nordhessen bekam im ersten Wahlgang mehr Stimmen als Kleinert. Im dritten verlor Kleinert mit nur 191 Stimmen gegen 272 Stimmen für Wagner.

Zuvor wurde die Landtagsabgeordnete Evelin Schönhut-Keil (42) ohne Gegenkandidatin und bei nur wenigen Gegenstimmen auf den ersten Listenplatz gewählt und Al-Wazir auf den zweiten. Den dritten Listenplatz eroberte die Landtagabgeordnete und Umweltexpertin Ursula Hammann (47) überraschend deutlich: mit 252 Stimmen gegen gleich zwei starke Konkurrentinnen. Den nächsten Frauenplatz eroberte die Landtagsabgeordnete Sara Sorge (32) aus Frankfurt.

Anschließend gab es eine weitere Überraschung: Margaretha Hölldolber-Heumüller (42) aus Fulda setzte sich beim Kampf um Platz sechs gegen die ehemalige Sozial- und Umweltministerin Priska Hinz (43) durch; Hinz musste sich mit dem achten Listenplatz begnügen. Biobauer Martin Häusling errang danach Platz sieben mit dem griffigen Slogan: „Bio ist gut fürs Essen – der Martin ist gut für Hessen.“

Bei der Landtagswahl 1999 gab es für die Grünen 8 Sitze. Fraktionschef Tarek Al-Wazir versprach, dass es dabei nicht bleiben werde. In Hessen werde die Partei die Trendwende schaffen und zulegen: „10 Prozent plus x“. Da wären dann auch 10–11 Sitze im Landtag drin. Nach dem Fußtritt für Parteichef Kleinert steht allerdings fest: Von Kirch-Göns ging dafür kein Signal aus.

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