Lob der Bescheidenheit

Werder Bremen hat Stars abgegeben und Nobodys eingekauft –genau das Richtige in Zeiten der Bundesliga-Krise, sagt der Sportdirektor Klaus Allofs. Werder bleibt, was es am besten kann: solide

Werder Bremen hat zwar endlich einen Trikotsponsor, aber einen Fehlstart in der Bundesliga hingelegt. Sportchef Klaus Allofs erklärt im taz-Interview den Zusammenhang zwischen Punkten und Penunzen beim solidesten Fußball-Club der Welt.taz: Es ist vollbracht: Nach einem Jahr „oben ohne“ hat Werder Bremen wieder einen Trikotsponsor. Warum ist der Club so schwer zu vermarkten?Unser vorheriger Sponsor QSC musste wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation kurzfristig aussteigen. Da standen wir ohne da, und in der kurzen Zeit, die noch blieb, war es schwierig, etwas in der richtigen Größenordnung zu finden.Warum läuft mit der lokalen Wirtschaft nichts?An der sportlichen Situation kann es nicht gelegen haben, denn wir waren 2001 die erfolgreichste Mannschaft. In anderen Städten gibt es eine ganz andere regionale Unterstützung. Es gäbe hier ja durchaus interessante Konstellationen. Die Vita-Cola in Rostock: Jawohl, wir identifizieren uns mit unserem Bundesligisten. Das hat es in dieser Form hier nicht gegeben.Schalke und Dortmund wäre das nicht passiert. Ist bei Werder zu wenig Emotion im Spiel?Man darf diese Clubs nicht mit Werder in einem Atemzug nennen. Die haben ein ganz anderes Fan-Potenzial und eine ganz andere Tradition. Sehen Sie mal, was auf Schalke mit der Arena möglich war. Oder Dortmund, wo 60.000 Plätze ständig ausverkauft sind – so was geht in Bremen nicht, das muss man ganz ehrlich sagen.Für Pizarro, Frings und Rost haben Sie rund 20 Millionen Euro eingenommen. Dafür haben Sie relativ bescheiden eingekauft . . .Da haben Sie recht. Wir haben für Angelos Charisteas und Manuel Friedrich rund fünf Millionen Euro ausgegeben, darüber hinaus mit Markus Daun und Marco Reich im ganz kleinen Bereich investiert. Aber Werder musste schon immer aus wirtschaftlichen Gründen Spieler abgeben. Wir leben nun mal in keiner Region, in der Milch und Honig fließen. In diesem und im kommendem Jahr fallen nun zusätzlich je fünf Millionen Euro Fernseheinnahmen aus. Das haben wir zum größten Teil über die Spielertransfers ausgleichen können, so dass wir jetzt nicht wie der VfB Stuttgart mit 20 Millionen Schulden dastehen. Hier muss nicht die Stadt kommen und den Verein unterstützen.Das würde auch Ärger geben . . .In anderen Städten ist das durchaus üblich. Sehen Sie sich mal Hertha BSC oder Hannover 96 an: Die kriegen ein neues Stadion hingestellt, das sie keinen Cent kostet. Wenn wir die Nordgerade wettbewerbsfähig ausbauen wollen, kostet das Geld von Werder Bremen.Werden Sie Gehälter kürzen?Wir können rein rechtlich nicht an laufende Verträge ran. Unsere Personalkosten sind durch Spielerverkäufe schon um 20 Prozent gesunken. Und wir haben die Prämien um 20 Prozent gekürzt.Hat die Krise etwas heilsames?Ich hätte das Fernsehgeld natürlich lieber gehabt. Aber der Ausfall hat sicherlich auch eine reinigende Wirkung. Wenn wir die Abgänge sportlich verkraften, war das heilsam. Viele Clubs haben Geld ausgegeben, das sie nicht hatten, sogar Einnahmesteigerungen vorweggenommen. Das hat den Markt aufgebläht.Sie sind daran unschuldig?Diesem Trend kann man sich nicht ganz verschließen, weil man sonst keinen Spieler bekommt. Bei Vertragsverlängerungen in den letzten Jahren mussten wir uns in Regionen bewegen, bei denen uns nicht wohl zumute war. Bei Frings oder Rost mussten wir ganz klar sagen: Tut uns leid, das verdient in Bremen keiner. Das alles wird sich ein wenig normalisieren. Ich hoffe nur, dass die Topclubs nicht einfach dasselbe weiterzahlen.Wird sich die Liga finanziell wieder erholen?Das hängt davon ab, welche Medien man noch erschließen kann. Ich denke da vor allem ans Internet. Große Hoffnungen ruhen auf der WM 2006. Mit ein bisschen Fantasie kann man sich da einen Werbeboom vorstellen.Personen aus der Werder-Spitze sind in dieser Woche Zeugen im Untersuchungsausschuss, der wegen Korruptionsverdachts ermittelt. Beeinflusst so etwas auch die sportliche Arbeit?Ich bin davon nicht betroffen und war zu dieser Zeit nicht im Amt. Deswegen spüre ich auch keine Anspannnung und es beeinflusst meine Arbeit nicht. Aber es ist wie in der Politik: Wenn Namen in einem gewissen Zusammenhang auftauchen, ist das zumindest unangenehm – selbst wenn sich herausstellt, dass da nichts falsch gelaufen ist. Schockt Sie der Fehlstart der Mannschaft eigentlich noch, oder ist das schon Routine?Wir müssten so ein bisschen daraus gelernt haben. Die Empörung in der Öffentlichkeit zeigt, dass sich unsere Fans nicht daran gewöhnt haben, und das gilt für uns genau so. Wir wussten, dass es nicht leicht wird, Rost, Bode und Frings zu ersetzen. Wenn ich die Garantie hätte, dass wir nach einem vermasselten Start wieder im UEFA-Cup landen, wäre ich gelassener.Für die Bild-Leser ist Werder sechster Titel-Anwärter, in Bremen sprechen viele vom Abstieg. Wagen Sie eine Prognose?Der Abstand auf die fünf Mannschaften vor uns ist groß – die haben ja unsere besten Spieler weggekauft. Wenn wir eine ähnliche Rolle spielen, wie in der vergangenen Saison, wäre das ein großer Erfolg. Auf einem Abstiegsplatz sehe ich uns wirklich nicht. Aber der Weg von Platz sechs bis Platz 13 ist nicht so lang. Da liegt sportlich alles eng beisammen. Interview: Jan Kahlcke