„Wir sollten nur Asbest suchen“

Dass Schulen und andere öffentliche Gebäude mit PCB belastet sind, ist seit über zehn Jahren bekannt – auch in Bremen. Trotzdem ließ der Senat nur nach Asbest suchen. „Da war der Druck höher“, sagen die Toxikologen.

PCBs? „Wir hatten nur den Auftrag, nach Asbest zu suchen“, sagt Klaus-Peter Sauermann, ehemals Leiter der „Arbeitsgruppe Toxische Baustoffe“ im Bremer Bauressort. Schon seit den 1980er Jahren ist bekannt, dass die hochgiftigen Polychlorierten Biphenyle (PCBs), einst als Weichmacher und Brandschutz geschätzt, in Fugendichtungen und Lacken stecken und langsam die Raumluft vergiften – auch in Bremen. Auf der Suche nach Asbest stießen die städtischen Gift-Fahnder bereits 1992 in der Gesamtschule West auch auf die PCBs. „Unter anderem wegen dieser Gifte hat man sich damals für den Teilabriss der Schule entschlossen“, sagt Sauermann. Und: „Es war klar, dass das nur eine Frage der Zeit ist, bis alle Gebäude auf diese Langzeitgifte untersucht werden müssen.“

Trotzdem passierte jahrelang nichts. Während etwa die Stadt Kassel bereits Anfang der 1990er-Jahre alle ihre öffentlichen Gebäude auf PCB untersuchen und gegebenenfalls sanieren ließ, saßen in Bremen tausende von SchülerInnen und Angestellten weiterhin im Giftcocktail – und sitzen es vielleicht immer noch. Denn das flächendeckende Messprogramm für alle zwischen 1960 und 1975 errichteten Gebäude ist erst im letzten Monat angelaufen. „Wir hätten damals dreimal so viele Leute sein müssen, wenn wir neben Asbest auch noch PCBs hätten suchen sollen“, sagt Sauermann. „Wenn man nichts sucht, muss man auch nicht kostspielig sanieren“, sagt Susanne Smolka, früher beim WWF Expertin für PCBs.

Smolka hält auch das jetzt angelaufene Bremer PCB-Sanierungs-Programm für zu lasch. Danach müssen Räume, deren Luft mit mehr als 3.000 Nanogramm PCB pro Kubikmeter belastet sind, sofort geschlossen werden. Der Zielwert für die Sanierung liegt bei 300 Nanogramm PCB pro Kubikmeter – zu hoch, findet Smolka: „Dieser Richtwert berücksichtigt nicht, dass PCBs bereits in geringen Konzentrationen die Bildung von Hormonen behindern.“ Studien in den Niederlanden konnten bereits nachweisen, dass Kinder, die einer erhöhten PCB-Belastung ausgesetzt sind, unter Entwicklungsstörungen leiden. Zwar gebe es noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, ab welcher Belastung welche Schäden aufträten. Aber allein schon aus Vorsorgegesichtspunkten müssten die Richtwerte weit niedriger angesetzt werden, fordert die WWF-Frau.

Dieser Ansicht ist auch Toxikologe Norbert Weis vom Bremer Umweltinstitut (BUI), das sowohl für die Stadt Bremen als auch für verschiedene Umlandgemeinden Messungen durchführt. Er empfiehlt, vergiftete Gebäude so zu sanieren, dass die Werte danach unter 100 Nanogramm pro Kubikmeter Raumluft liegen. Neuere Untersuchungen nämlich hätten gezeigt, dass bestimmte PCBs – die „koplanaren“ – wie hochgiftige Dioxine einzustufen und entsprechend gefährlich seien. Selbst das Umweltbundesamt diskutiere inzwischen über niedrigere Grenzwerte. Der „Eingriffswert“, der eine sofortige Sanierung nötig macht, soll von 3.000 Nanogramm auf 1.000 sinken, als langfristig unbedenklich gälten statt 300 dann 100 Nanogramm pro Kubikmeter. Doch der Expertenrat bleibt in Bremen bisher unerhört. Weis: „Hier sollen wir nur messen.“

Armin Simon