Bahnvorstand bedrängt Länderminister

Oberlandesrichter halten mehr Wettbewerb auf der Schiene für unumgänglich und verweisen auf das Kartellrecht

BERLIN taz ■ Die Deutsche Bahn (DB) sieht sich zunehmend in der Enge. Nachdem die Vergabekammer Magdeburg die öffentliche Ausschreibung des gesamten Schienennahverkehrs in Sachsen-Anhalt vorgeschrieben hatte, vertrat das Oberlandesgericht Düsseldorf Ende Juli eine ähnliche Position. Ihrer Auffassung nach müssten auch beim Bahnverkehr die Regelungen des Kartellvergaberechts angewandt werden, schrieben die Richter. Und das heißt: In jedem Fall muss der Schienennahverkehr öffentlich ausgeschrieben werden. Das einige Jahre ältere Allgemeine Eisenbahngsetz würde dagegen die Möglichkeit einer freihändigen Vergabe zu lassen. Weil das Kartellrecht aber jünger sei, müsse dieses angewandt werden, befanden die Richter.

„Letzlich braucht diese Rechtsfrage nicht abschließend geklärt zu werden“, heißt es in dem Urteil. Denn in dem Fall, über den entschieden wurde, hatte es eine Ausschreibung gegeben. Die DB hatte im Februar einen langfristigen Exklusivvertrag mit Sachsen-Anhalt abgeschlossen, ohne dass Konkurrenten überhaupt die Chance gehabt hatten, ihre Angebote einzureichen (taz vom 1. 7.).

Nun fürchtet die DB um ihre Pläne, mit anderen Ländern unter Ausschluss der Öffentlichkeit 10-Jahres-Kontrakte auszuhandeln. Deshalb hat DB-Vorstandsmitglied Klaus Daubertshäuser einen Briefentwurf an mehrere Landesverkehrsminister geschickt, den sie unterschreiben und an die Bundesminister für Wirtschaft und Verkehr, Werner Müller (parteilos) und Kurt Bodewig (SPD), schicken sollen. Darin geht es darum, dass eine direkte Vergabe an die DB auch weiterhin möglich sein müsse.

Müller oder sein Nachfolger könnten die Vergabeverordnung tatsächlich entsprechend ändern, ohne dass der Bundestag zustimmen müsste. Nötig wäre lediglich eine Mehrheit im Bundesrat. Der hatte 1993 bei den Verhandlungen über die Bahnreform erst durchgesetzt, dass auch die freihändige Vergabe möglich ist. Vor allem sozialdemokratisch regierte Länder hatten damals Druck gemacht.

Heute fühlen sich viele Landesminister in der Klemme, weil die DB massiv mit Preiserhöhungen und Leistungseinschränkungen droht, wenn sie keine Langfristverträge bekommt. Zudem will die DB Netz AG die Trassenpreise für 14.000 Kilometer regionale Strecken Anfang kommenden Jahres um durchschnittlich 30 Prozent erhöhen, schreibt die Prognos AG, Basel. Länder, die sich aus Sicht der DB renitent verhalten, werden hier vermutlich mit besonders vielen Nachteilen rechnen müssen.

Ob die von Daubertshäuser vorformulierten Briefe schon eingetroffen sind, konnte die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums noch nicht sagen. „Das Problem ist uns aber bekannt. Über eine Lösung wird noch nachgedacht“, beschied sie die taz. ANNETTE JENSEN